: Die Radio-Mücke und der Polizei-Elefant
FSK-Razzia: Polizei holte zum Feldzug gegen linken Hamburger Sender aus, nun findet das juristische Vorrunden-Spiel statt
Formalrechtlich gesehen ist es sicher nicht in Ordnung oder eine „Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“, wie es in der Anklage heißt, bei einem Telefonat das Aufzeichnungsgerät einzuschalten, ohne den Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung davon in Kenntnis zu setzen. Es wäre aber zugleich weltfremd zu glauben, dass so etwas in der Medienbranche im ständigen Kontakt mit Presseprofis nicht täglich vorkommt, gerade wenn es auf Details ankommt.
Dennoch muss sich nun der Redakteur des „Freien Sender Kombinats“ (FSK), Werner Pomrehn (49), vor dem Kadi verantworten, da er Auszüge aus einem mit der Polizeipressestelle geführten, nicht autorisierten Telefongespräch gesendet hat. Der Fall hat inzwischen eine Dimension angenommen, bei der es nicht mehr mit einer kurzen Entschuldigung getan ist. Aus einer Mücke wurde ein Elefant: Auf FSK-Klage beschäftigt sich demnächst das Bundesverfassungsgericht mit der Angelegenheit.
Denn im Dezember 2003 führte die Polizei eine Razzia beim Sender im Schanzenviertel und bei Pomrehn durch, angeblich auf der Suche nach dem heimlichen Mitschnitt, der bei FSK, so die Verantwortlichen, auch freiwillig zu haben gewesen wäre. So genannte „Zufallsfunde“ wurden konfisziert oder werden nun für weitere Ermittlungen und Vorwürfe genutzt. Die Deutsche Journalisten Union (dju) verurteilte die Maßnahmen als Einriff in die grundgesetzlich geschützte Presse- und Redaktionsfreiheit.
Der Stein des Anstoßes: Im Rahmen von Bambule-Protesten fand am 18. Oktober 2003 eine Demo statt, bei der nach einer Konfrontation mit der Polizei zwei schwer verletzte Menschen ins Krankenhaus eingeliefert wurden und es zahlreiche Festnahmen gab. Da es deutliche Differenzen zwischen Augenzeugenberichten sowie internen und offiziellen Polizeiangaben gab, sendete FSK wenige Tage später Teile von Gesprächen, die Pomrehn am 18. und 19. Oktober mit Polizeisprecher Ralf Kunz geführt hatte.
Im Dezember 2003 filzten Polizeieinheiten die Redaktionsräume, schränkten Teile des Sendebetriebs ein – es durfte nicht live über die Razzia berichtet werden – und nahmen Personalunterlagen und Sendeprotokolle mit, die mit dem eigentlichen Anlass nichts zu tun hatten. Bei der Durchsuchung von Pomrehns Wohnung ohne Hausdurchsuchungsbeschluss fanden Fahnder überdies eine Mini-Disc mit einem Telefonat mit Polizeisprecherin Christiane Leven vom 19. Juli 2003, das jedoch nie gesendet worden war. Damals ging es um den peinlichen Vorfall, dass ein Polizist bei einem Neonazi-Aufmarsch seine Pistole verloren hatte und die Waffe nur durch Zufall nicht in die Hände von Rechten gefallen war.
Alle Prozessbeteiligten gehen davon aus, dass mit der Verhandlung der Fall nicht beigelegt werden kann. Denn der polizeiliche Eingriff in Redaktionsgeheimnisse überwiegt bei weitem die Dimension des heimlichen Mitschneidens eines Telefonats. Und somit habe das Verfassungsgericht das letzte Wort zu sprechen. Kai von Appen
Prozess: Freitag, 28. Januar 2005, 10 Uhr, Saal 292, Strafjustizgebäude, Sievekingplatz. Dem jährlichen Erbsensuppen-Essen der Polizeipressestelle am selben Abend wird die taz dieses Mal aus Solidarität mit FSK fernbleiben.
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