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KOMMENTAR ZU PATIENTENAKTEN VON UTA GENSICHENMensch aus Glas und Blut

Das virtuelle Patientenblatt provoziert eine typische Eigenschaft des Menschen – die Neugier

Die Verbannung der Papierakten aus den Klinikarchiven ist ein vorgezeichneter Weg. Sich dagegen zu wehren, wäre zwecklos. Zu deutlich liegen die Vorteile elektronischer Patientenakten auf der Hand: Sie ersparen Arzt und Patient eine Menge Zeit und mitunter dem Versicherer Geld, weil Doppeluntersuchungen wegfallen. Dennoch: Das virtuelle Patientenblatt provoziert eine typische Eigenschaft des Menschen – die Neugier.

Schadet dieser Charakterzug einem Prominenten, ist der mediale Aufschrei zwar groß, aber die persönliche Empörung klein. „Mich betrifft das nicht“, sagen sich die Ahnungslosen, „was sollte denn jemand mit meinen Daten anfangen?“ Natürlich, die BILD wird es nicht interessieren, ob Oma Müller an Blasenkrebs erkrankt ist oder ob Herr Schmidt einen Thromboseanfall hatte. Aber vielleicht will es ja seine geschwätzige Nachbarin wissen, die zufällig Krankenschwester im behandelnden Krankenhaus ist, und sich mühelos in die Krankenakte klicken kann.

Der Datenschutz hinkt dem technischen Fortschritt schon viel zu lange hinterher. Hier müssen Kliniken, Software-Hersteller und Gesetzgeber reagieren, um die privaten Daten der Patienten besser zu schützen. Das Ziel der so gepriesenen elektronischen Patientenakte kann nicht ein Mensch aus Glas und Blut sein.

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