piwik no script img

Ein Haus für Jungs

GAL organisierte fällige Fachdiskussion zur Unterbringung Feuerbergstraße. Richter äußern Zweifel an Legalität

Seit zwei Jahren gibt es die geschlossene Unterbringung (GU) für Jungen in der Feuerbergstraße. Nachdem die Sozialbehörde Anfang Januar darauf verzichtet hatte, Bilanz zu ziehen, lud die GAL-Politikerin Christiane Blömeke in dieser Woche zu einer Fachtagung ins Rathaus. Der mit über 150 anwesenden Richtern, Pädagogen, Psychologen und anderen Jugendhelfern überfüllte Raum machte deutlich, dass es Diskussionsbedarf gibt.

Stellvertretend für das „Aktionsbündnis gegen Geschlossene Unterbringung“ erklärte Michael Lindenberg das Konzept der Feuerbergstraße für „gescheitert“. So seien 19 Jugendliche aus der Einrichtung geflohen, dagegen sei es bis zum September 2004 nur einem Jungen gelungen, das auf ein Jahr ausgelegte Vier-Phasen-Konzept erfolgreich abzuschließen. Der in der Sozialbehörde zuständige Dirk Bange konterte mit aktuelleren Zahlen, wonach inzwischen sieben von insgesamt 15 Jungen im Alter von 12 bis 16 Jahren ein Jahr durchlaufen haben und fünf von diesen seither keine Straftaten mehr begingen. „Auch persönlich scheinen diese Jungen sehr gefestigt“, erklärte Bange. „Zum Teil sagen sie, die GU habe zur besten Zeit ihres Lebens gehört.“

Kritisch äußerten sich dagegen die Jugendrichter im Saal. „Der deutsche Schäferverband würde seine Hunde dort nicht reinlassen“, erklärte Johan Krieten, der als Jugendrichter eigentlich als GU-Befürworter bekannt ist. Es könne nicht sein, dass er dort anrufe, um einen Jugendlichen zu sprechen, und es dann heiße „der liegt gerade unter einem Betreuer, weil er festgehalten werden muss“. Er kenne zwei Jugendliche, die aus Angst vor der GU nach Wilhelmshaven geflohen und dort straffällig geworden seien, berichtete Jugendrichter Achim Katz, der schon den konzeptionellen Ansatz der GU ablehnt. Das Heim sei nicht als U-Haft-Vermeidung für straffällige Jugendliche gedacht, sondern Jugendhilfeeinrichtung zum Schutz bei Kindeswohlgefährdung. Die von Bange erwähnte „Legalbewährung“ sei gar nicht Ziel so einer Hilfe.

Der Bergedorfer Familienrichter Olof Masch zweifelt gar an, dass der Freiheitsentzug in der Feuerbergstraße nach Paragraph 1631 des Bürgerlichen Gesetzbuchs überhaupt legal sei, dies hätten ihm 21 Familienrichter auf einer Bundestagung bestätigt. Masch zu Bange: „Wenn ihre oder meine Kinder dort drin wären, wäre die Aktion längst in Karlsruhe.“ Die Klientel der Feuerbergstraße habe aber in der Regel keine Eltern, die sich wehrten. Kaija Kutter

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen