piwik no script img

Kinder gehen im Zahlenwirrwar unter

Eine Kölner Elterninitiative protestiert heute vor dem Rathaus dagegen, dass Horte bis 2007 durch Offene Ganztagsschulen ersetzt werden. Die Stadt wolle bloß sparen. Köln müsse sogar mehr Geld ausgeben, heißt es dagegen aus dem Schulausschuss

Von Susanne Gannott

Es soll ein Trauermarsch werden mit allem Drum und Dran: mit Holzkreuzen, Grablichtern und Requiem. „Müssen wir Abschied nehmen? Wir sind fassungslos und traurig“, klagen „Kölner Kinder, Eltern und Erzieherinnen“ auf dem als Todesanzeige gestalteten Demoaufruf. Die Elterninitiative aus Bayenthal will sich mit der geplanten Schließung von 300 Kölner Hortgruppen bis 2007 nicht abfinden. Deshalb demonstriert sie heute Mittag ab 13 Uhr im Rahmen ihrer „Demo-Staffel“ vor dem Rathaus. Bereits zum dritten Mal.

Der Bayenthaler Initiative haben sich inzwischen viele Kölner Kindertagesstätten ebenso wie der „Runde Tisch für Qualität und Vielfalt in der Ganztagsbetreuung“ vom Zentralverband der MitarbeiterInnen in katholischen Einrichtungen (ZKD) angeschlossen. Allerdings hat der landesweite Ausbau der Offenen Ganztagsgrundschule (Ogata), in den bis 2007 die Landesmittel für Horte schrittweise umgelenkt werden sollen, längst begonnen. So gibt es in Köln bereits 34 Ogatas. „Wenn die Ganztagsgrundschule schon nicht mehr aufzuhalten ist, soll wenigstens die Betreuung nicht verschlechtert werden“, gibt sich Ute Bley, die Initiatorin der Demo-Staffel, denn auch inzwischen notgedrungen realpolitisch.

Bleys Kritik an den Ogatas: Nur eine halbe professionelle Erzieherinnenstelle komme auf 25 Kinder, die meiste Betreuungsarbeit werde von ungelernten 400-Euro-Kräften erledigt; Ferienbetreuung gebe es nur bei Bedarf und müsse auch noch extra bezahlt werden.

Zudem kritisieren Bley und ihre Mitstreiter, dass durch die Umstellung von Hortbetreuung auf Ogata gar nicht mehr Betreuungsplätze in Köln geschaffen würden. „Uns wurde immer gesagt, Horte sind zu teuer, dafür kann man mehr Ogata-Plätze schaffen“, sagt Gisela Kierdorf, die NRW-Vorsitzende der ZKD. Mit über 7.000 Hortplätzen und 2.500 Plätzen in der Übermittagsbetreuung erreiche Köln jedoch schon jetzt die von der Landesregierung angepeilte Versorgungsquote von 25 Prozent aller Grundschulkinder. Wenn nun laut Ratsbeschluss bis 2007 10.000 Ogata-Plätze geschaffen werden sollen, dann enstünden nur unwesentlich mehr Plätze. Kiedrorfs Verdacht: Der Stadt gehe es nur darum, Geld zu sparen – auf Kosten der Kinder.

Dem widerspricht allerdings Ulrike Heuer, die stellvertretende Schulausschussvorsitzende: „Wir sparen kein Geld“, beteuert die Sozialdemokratin. Zum einen wären 10.000 Ogata-Plätze „schon mehr als bislang“. Zum anderen müsse die Stadt zunächst sogar mehr zahlen, weil ja erst einmal noch gar keine Horte geschlossen würden. „Wir haben erst einmal eine Parallelstruktur von Horten und Ogata“, so Heuer.

Allerdings soll der „Umbau der Hortplätze“ laut Koalitionsvertrag von CDU und SPD bis 2007 „sukzessive“ fortgeführt werden. Lediglich „in Stadtteilen mit entsprechendem Bedarf sind Hortplätze zunächst parallel zu erhalten“. Das dürfte vor allem dort sein, wo es für Kinder von zehn bis vierzehn, die in weiterführende Schulen gehen, wenig Alternativen zum Hort gibt. Wenn die schließen, „gibt es ein Problem“, weiß auch Heuer. „Da muss man was machen.“ Weil die Stadt jedoch kein Geld hat, hat die Koalition die Verwaltung erst einmal mit der Erstellung einer „Sozialraum-Analyse“ beauftragt. Dabei wird vermutlich herauskommen, dass es in vielen Stadtteilen „parallel laufende Angebotsstrukturen“ für ältere Kinder gibt, die „man bündeln kann“, so Heuer.

Wo das nicht reicht, will die Koalition laut Koalitionsvertrag die Angebote für 10- bis 14-Jährige durch das Landesprogramm „Schüler in Tageseinrichtungen“ ausbauen.

Erzieherin Giesela Kierdorf kann darüber nur lachen. Erst würden die Horte geschlossen, dann baue man für die Grundschulkinder Ogatas und stecke die älteren Kinder in Tageseinrichtungen – also zu den Kindergartenkindern. „Das muss man sich mal vorstellen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen