the german angst von WIGLAF DROSTE:
Angst schreibt man gerade anders in Deutschland, Angst buchstabiert man: NPD. Warum? Ein kleinerer Haufen demokratisch gewählter Landtagsabgeordneter der NSDAP-Nachfolgepartei NPD hat die landesübliche Medien- und Skandalkunde studiert und abgekupfert, wie man ohne jede Substanz ein beherrschendes Medienthema wird. „Bombenholocaust“ haben die NPD-Leute die Bombardierung Dresdens durch die alliierte Luftwaffe genannt, und riesengroß sind Entsetzen, Empörung, Geschrei. Zur Erinnerung: Die Abgeordneten der Nazipartei sind mit Absicht Nazis, und was sie sagen, sagen sie mit Absicht. Selbstverständlich leugnen sie den Holocaust – das ist ihr Beruf, etwas anderes haben sie nicht gelernt. Dabei stammt das Wort „Bombenholocaust“ nicht einmal von ihnen selbst. Hatte es nicht der Historiker Jörg Friedrich schon 2002 in seinem Bestseller „Der Brand“ geschrieben? Und hatten das nicht hunderttausende ins Opfer-sein-Wollen verliebte Deutsche gelesen, ohne Anstoß zu nehmen?
Die NPD-Nazis sind nicht klug, sie sind nicht einmal besonders schlau. Sie können sich aber auf eine zuverlässige Politik-und-Medien-Mischmaschine stützen, in der jeder, der gegen sie ist oder sein möchte, noch zu ihrem Multiplikator wird. So gibt man den Nazis das erhoffte Gefühl von Stärke: Sie tun den ersten Schritt, und der Rest muss reagieren, hängt an ihrem Tropf und ist immer hintendran. Dabei tun die NPD-Leute ausschließlich ihre Arbeit, und Arbeit macht … – nein, nicht frei. Arbeit macht Angst.
Was sonst ist die Arbeit von Nazis als diese: die Verbrechen der Nationalsozialisten leugnen und gleichzeitig davon träumen, selbst gefahrlos ähnlich tun zu können? Die Vorbilder der NPD-Abgeordneten sind Massenmörder und KZ-Wärter. So muss man sie betrachten: als das, was sie wären, wenn man sie ließe. Man soll Nazis nicht groß und stark reden – man soll sich aber nicht dauernd darüber täuschen, mit wem man es zu tun hat. Sie als armselige Würstchen einfach zu ignorieren, ist falsch. Klar sind sie Würstchen, aber das war Hitler auch (wenn auch eins aus Tofu).
Indem die Nazis etwas lauter gegen Ausländer und für die friedliche Aussöhnung der Deutschen mit ihrer NS-Verbrechervergangenheit brüllen als ein durchschnittlicher Spiegel-Kommentar, bestimmen sie das Mediengeschäft. Ein erneuter NPD-Verbotsantrag wird von zwei Bundesverfassungsrichtern ins Spiel gebracht und erwogen – die Nazis bleiben am Drücker. Besonders rührend ist dabei immer das Absingen des Selbstberuhigungsmantras, „unsere Demokratie“ sei „stabil und stark“. Solche treuherzigen Bekenntnisse haben ihren angestammten Platz im Kindergottesdienst.
Werfen wir einen Blick auf den starken, stabilen, demokratischen Hühnerhaufen. Auch hier tun alle ihre Arbeit – sie können sie einfach nicht besser: In Edmund Stoibers auch noch völlig falsch begründetem Anwurf, Gerhard Schröder sei am Erfolg der NPD schuld, erschöpft sich, was in diesem Land als Opposition gilt – und hält die NPD im Rennen. Dabei will auch Claudia Roth nicht fehlen und kreischt „ungeheure Entgleisung“, vor Dummheit und Angst, aber das ahnt sie nicht.
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