: Der Pfeifenmann aus dem Pott: Jürgen Jansen
Der gen Passau geflüchtete Essener Schiedsrichter Jürgen Jansen ist eine Unperson im Fußballskandal. Wie ein kleiner Mann in eine große Affäre gerät – und nun zusehen muss, wie Politiker und Medien ein Spiel ohne Fair-Play spielen
Der Mann in der schwarzen Lederjacke grinst und steigt mit seinem Anwalt in ein dunkles Fahrzeug. Jürgen Jansen, Schiedsrichter aus Essen, verlässt am vergangenen Freitag die Frankfurter DFB-Zentrale mit seinem Rechtsanwalt und sagt: „Kein Kommentar“. Gerade ist der 44-Jährige zwei Stunden lang vernommen worden zum Wettskandal. Jansen musste Stellung nehmen zu den Vorwürfen seines Kollegen Robert Hoyzer, auch er habe Spiele manipuliert. Jansen fährt wieder nach Passau, zum Alterssitz seiner Eltern, in dem er sich seit Beginn des Skandals aufhält.
„Ich habe doch alles in der Pressekonferenz gesagt“, sagt Jansen. Die Pressekonferenz. Letzte Woche stellte sich Jansen in Passau mit einem Videobeamer vor die Journalisten, und führte Spielausschnitte vor, die seine Unschuld beweisen sollten. 70 Minuten lang übertrug das Fernsehen die Jansen-Show live. „Meine Kinder werden bespuckt“, beschwerte sich Jansen über das mediale Kesseltreiben gegen seine Person. Am Ende der One-Man-Performance lispelte Jansen in breitem Ruhrpott-Deutsch: „Die Bundesliga ist sauber.“ Einige Journalisten lachten. Der Entertainer Harald Schmidt imitierte wenige Tage später die Pfeife aus dem Pott. Schmidt persiflierte ihn als die Karikatur des schlicht-dumpfen Spießer-Schiris, als einfältigen Reviereinwohner, wie er sonst nur in Spielfilmen wie „Bang Boom Bang“ oder in der RTL-Serie „Die Camper“ auftritt.
Jansen ist jetzt bekannt. Fast täglich taucht sein Name in den Nachrichten auf. Dass gegen ihn wie gegen 25 weitere Personen Ermittlungen der Berliner Justiz laufen. Dass Jansens Wohnung durchsucht wurde. Dass Fußball-Profi Mario Basler Jansen einmal „Hosenscheißer“ nannte. Dass Nationalspieler Michael Ballack vor drei Jahren von „Betrug“ sprach, weil Jansen im Meisterschaftsendspurt 2002 einen zweifelhaften Elfmeter gegeben hatte. Wie eine moralische Hinrichtung wirkten die Äußerungen von Schalke-Manager Rudi Assauer, der über Jansen zu Protokoll gab: „Dass ein Schiedsrichter wie Jansen da jetzt mit rein rutscht, überrascht mich nicht. Er ist vom Typ her sicher anfällig, sag‘ ich mal so. Ohne dass ich ihn jetzt näher und genauer kenne. Es gibt so ein paar Andeutungen schon seit Jahren.“ Dass sich Assauer später für seine Aussage entschuldigte, nützt Jansen wenig. Nach elf Jahren und 142 gepfiffenen Bundesliga-Spielen dürfte Jansens Image für immer ramponiert sein – egal, ob er irgendwann tatsächlich verurteilt und dauerhaft gesperrt wird.
Ein Jahr vor der Fußball-WM ist der Skandal längst zum Politikum geworden – und Jürgen Jansen ist dabei nur eine Randfigur. NRW-Sportminister Michael Vesper (Grüne) hat sich betroffen über die Affäre geäußert. Und mit ihm so ziemlich jeder Politiker, der von Amts wegen mit Fußball betraut ist. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) forderte vom DFB und den Behörden eine rasche Aufklärung. „Es geht darum, ohne Ansehen von Personen die Sache schnell aufzuklären“, so Schily. Bis Juni soll alles geklärt sein. Ein kurzer Prozess? Schily geht es um das Ansehens Deutschlands in der Welt. Das Ansehen der Person Jürgen Jansen kann dabei schon mal auf der Strecke bleiben.
MARTIN TEIGELER
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