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Kühl und bang

KIEL taz ■ Nazis – es kommt drauf an, was man draus macht. Und das mag sehr wenig sein: „Man kann das Thema herunterfahren“, sagt Joachim Köhler, Sprecher des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Sollte die NPD am Wahlsonntag tatsächlich die Fünfprozenthürde überwinden, „gäbe es eine selbstbewusste Auseinandersetzung“ auf der parlamentarischen Bühne, ist Köhler überzeugt. Drehbücher für den Ernstfall hätten die Fraktionen seiner Kenntnis nach nicht vorbereitet: „Weil wir alle hoffen und davon ausgehen, dass sie nicht reinkommen.“

Falls aber doch, kann der Kieler Landtag auf alte Erfahrungen im Umgang mit den Rechten zurückgreifen: Schließlich saß die DVU 1992–1996 im Parlamentssaal. Damals entwickelten sich besondere Verfahrensweisen: „Üblicherweise antworten jede Fraktion und die Regierung auf einen Antrag. Im Fall der DVU gab es jeweils nur eine Antwort von einer Partei, stellvertretend für alle anderen Fraktionen“, erinnert sich Köhler. „Das lief ganz hervorragend.“ Und: „Damals wurde zum Beispiel häufig die Diskussion über DVU-Anträge auf den Freitagnachmittag gelegt. Das nahm ihnen viel von ihrer Wirkung.“ Auch die Medien hätten gelassen reagiert, was dazu beitrug, dass die DVU bei der nächsten Wahl aus dem Landtag flog.

Bereits im Wahlkampf demonstrieren die Parteien Gelassenheit. Sie thematisieren den möglichen NPD-Einzug kaum, lediglich die Grünen werben mit dem Bild eines drohenden Springerstiefels um Zweitstimmen. Allerdings traten alle Parteien gemeinsam bei einer Anti-rechts-Demonstration in Kiel auf: Ministerpräsidentin Heide Simonis und ihr Gegenkandidat Peter Harry Carstensen gingen Seit’ an Seit’ hinter dem Plakat.

Für das Image Schleswig-Holsteins wäre der Einzug der NPD eine Katastrophe, so viel ist allen Parteien klar. Ingo Stawitz, zweiter Mann auf der NPD-Liste, sieht gute Chancen für sich und seine Mannschaft. Dass die Partei in Umfragen unter 5 Prozent liegt, ist für ihn kein Kriterium: „Das war in Sachsen auch so.“ Und dort landete die NPD dann bei 9,2 Prozent. ESTHER GEISSLINGER

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