: Billigjobber im Dienste der Stadt
Kölner Stadtkämmerer will reguläre Arbeitsstellen durch Ein-Euro-Jobs ersetzen: In Schulbussen und Bürgerzentren soll Billig-Personal eingesetzt werden. Sozialdezernentin: „Alles nur ein Testballon“
VON SUSANNE GANNOTT
Nun hat auch die Stadt Köln herausgefunden, dass man mit Ein-Euro-Jobbern richtig Geld sparen kann. Der Stadtkämmerer schlägt vor, sowohl Schulbusse als auch Bürgerzentren künftig statt mit regulärem Personal unter anderem mit zwangsverpflichteten Hartz-IV-Kunden zu besetzen. Wörtlich empfiehlt die Streichliste des Kämmerers für den Geschäftsbereich „Bildung, Jugend und Sport“, „75 Teilzeitstellen beim Schulbusbegleitservice durch Hartz-IV-Personal“ zu ersetzen. Das Dezernat „Soziales, Senioren, Wohnen und Beschäftigungsförderung“ solle „geringfügig beschäftigtes Personal (ca. 90) der Bürgerzentren/Bürgerhäuser abbauen und (...) durch Einsatz von Poolpersonal, Praktikanten, ehrenamtlichem Personal und über Ein-Euro-Jobs (langzeitarbeitslose Pädagogen) aufrecht erhalten.“ So ließen sich alleine bei den Bürgerzentren jährlich rund 370.000 Euro einsparen.
Die für den zweiten Vorschlag zuständige Sozialdezernentin Marlis Bredehorst lehnt dankend ab: „Das geht gar nicht, das ist gesetzeswidrig“, erklärt sie der taz. Schließlich müssten Ein-Euro-Jobs nicht nur im „öffentlichen Interesse“ sondern auch „zusätzlich“ sein. Laut Bredehorst muss man die Streichliste gar nicht ernst nehmen: Das sei ein reiner „Testballon“, in dem alles aufgelistet sei, was die Stadt theoretisch streichen könne.
Dennoch ist man bei der PDS empört: „Ein-Euro-Jobs sollen doch gerade nicht reguläre Jobs verdrängen“, opponiert Ratsmitglied Michael Kellner. Die SPD hat das Thema noch nicht diskutiert. Der Vorsitzende des Sozialausschusses, Walter Kluth, ist sich allerdings „sicher, dass wir das ablehnen werden“. Kluth lässt aber auch Verständnis für den Kämmerer durchblicken: „Er macht das, weil er ein Loch von hunderten Millionen Euro stopfen muss.“
Auch bei der FDP kann man die Motive des Kämmerers nachvollziehen: Angesichts der dramatischen Haushaltslage habe er nur die Wahl zwischen der „ersatzlosen Streichung von Dienstleistungen oder ihrer Aufrechterhaltung durch Ein-Euro-Jobs“, erklärt Fraktionsgeschäftsführer Ulrich Breite.
Scharfe Ablehnung erfahren die Vorschläge von den Grünen. „Das ist genauso unausgegoren wie der Rest des Papiers“, urteilt der sozialpolitische Sprecher Ossi Helling. Er befürchtet, dass derartige Ideen in Zukunft öfter auf den Tisch kommen. „Ungeregelte Arbeitsverhältnisse und Honorarkräfte lassen sich eben theoretisch in Ein-Euro-Jobs umwandeln.“ Helling warnt vor einem „Grenzbereich“ zwischen regulärer und zusätzlicher Beschäftigung: Jobs, die im Zuge der Personalausdünnung schrittweise von den Kommunen abgebaut würden, könnten nach und nach von Ein-Euro-Jobbern besetzt werden.
Genau dies – einen Arbeitsplatzabbau durch die Hintertür – will der Beirat der ARGE (der Arbeitsgemeinschaft aus Kommune und Kölner Agentur für Arbeit) verhindern, der heute zu seiner Gründungsversammlung zusammentritt. Die darin versammelten Ratsmitglieder und Vertreter von Gewerkschaften, Arbeitgebern, Arbeitslosenberatungen und Wohlfahrtsverbänden sollen unter anderem die Kriterien „Zusätzlichkeit“ und „im öffentlichen Interesse“ genau definieren. „Beides müssen wir fassbar machen, damit Entscheidungen transparent werden“, gibt die stellvertretende ARGE-Geschäftsführerin Ingeborg Hans zu.
Unklar ist bislang auch, wer die Einhaltung dieser Kriterien wie kontrolliert. Fest steht bisher nur, dass der Beirat eine „Untergruppe Ein-Euro-Jobs“ gründen will. Nach den Vorstellungen des Kölner DGB-Chefs, Wolfgang Uellenberg-van Dawen, soll diese jeden einzelnen beantragten Ein-Euro-Job kontrollieren, „damit nicht auf Kosten von regulären Arbeitsplätzen Missbrauch getrieben wird“. Ferner fordert Uellenberg-van Dawen, nur Gewerkschaften und Arbeitgeber in die Gruppe aufzunehmen. Sie seien die einzigen Beiratsmitglieder, die selbst keine Ein-Euro-Jobs anböten – „die anderen müssten sich sonst selbst kontrollieren“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen