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Autos stören Totenruhe

Jüdische Bodendenkmäler unter der Nord-Süd-Fahrt könnten die Untertunnelung der Verkehrsachse neben der Oper auf lange Sicht unmöglich machen. Vermutlich liegen unter der Straße noch Gebeine

VON SEBASTIAN SEDLMAYR

Kölner Politiker und Stadtplaner wittern derzeit gute Chancen, eine fast zwanzig Jahre alte Idee zu verwirklichen: Die Nord-Süd-Fahrt soll komplett in einen Tunnel verlegt werden, wenn die Oper auf dem angrenzenden Offenbachplatz saniert wird. Doch der Traum könnte an der Totenruhe scheitern.

Im aktuellen Gutachten des Stadtentwicklungsdezernenten Bernd Streitberger zur Zukunft der Oper steht, etwas versteckt auf Seite 75, dass der Tieferlegung der Nord-Süd-Fahrt archäologische Ausgrabungen vorausgehen müssten. In Klammern hat die Stadtverwaltung „jüdischer Friedhof“ gesetzt.

Bei der jüdischen Gemeinde Köln sorgte dies zunächst für Aufregung. Nach den Regeln des jüdischen Glaubens dürfen die Gebeine der Toten nicht angetastet werden. „Nur in Ausnahmefällen wie zum Beispiel beim Braunkohletagebau in Niederaußem werden die Grabsteine gesichert und die Gebeine umgebettet“, erklärt Winfried Günther, Friedhofsleiter der Synagogen-Gemeinde Köln.

Doch die Angabe in dem Gutachten scheint nicht ganz genau zu sein. Nach Auskunft des Römisch-Germanischen Museums ist die Quellenlage für diesen Abschnitt der Kölner Stadtgeschichte äußerst dürftig. Lediglich in der Publikation „Cologne, Jewish Communities Series“ von Adolf Kober aus dem Jahr 1964 finde sich eine Passage zu dem Areal, auf dem heute Nord-Süd-Fahrt und Offenbachplatz liegen, so die Museumsmitarbeiterin Elisabeth Spiegel. Zwischen 1802 und 1807 seien dort drei Juden rechtmäßig bestattet worden, zitiert Spiegel aus der Quelle. Es habe sich um zuvor an Ort und Stelle hingerichtete Gemeindemitglieder gehandelt. „Jüdische Friedhöfe wurden oft als Hinrichtungsstätte benutzt“, bestätigt Friedhofsleiter Günther.

Spiegel sagt, sie kenne keine Quelle, die etwas über den Verbleib der drei Hingerichteten aussage. Der Schluss liegt also nahe, dass sich ihre Knochen noch immer unter der Nord-Süd-Fahrt befinden.

Doch nicht nur die Toten erschweren die Planungen für eine Tieferlegung der Nord-Süd-Fahrt. Am selben Ort befindet sich auch die alte Synagoge und – so vermuten Spiegel und andere Historiker – auch noch eine frühzeitliche Mikwe, ein rituelles Tauchbad. Diese Bodendenkmäler wären durch eine Untertunnelung der Nord-Süd-Fahrt akut gefährdet.

Das Stadtplanungsamt will deshalb eine Kurve um die Bodendenkmäler bauen, wenn die Nord-Süd-Fahrt wirklich untertunnelt werden soll. Wie teuer das wird, ist noch nicht abzuschätzen. Für die archäologischen Ausgrabungen veranschlagt Streitberger drei Millionen Euro – im Vergleich zu den geschätzten Gesamtkosten von 200 Millionen Euro ein geringer Betrag. Allerdings würde die Auswertung der Relikte unter der heutigen Straße viel Zeit in Anspruch nehmen. Die Archäologen der Stadt sind schon heute wegen ihrer Arbeiten beim U-Bahn-Bau zwischen Dom und Bonner Straße stark gefordert.

Vielleicht wäre daher der „Planfall 10“ aus Streitbergers Gutachten für alle Beteiligten die günstigste Variante: Hier wird die Nord-Süd-Fahrt ebenerdig belassen, Verkehr auf andere Straßen umgeleitet und der Offenbachplatz ansprechender gestaltet. Diese Variante kostet nur 27 Millionen Euro.

Die Kölner Nord-Süd-Fahrt hat eine unrühmliche Geschichte. Die Nationalsozialisten hatten als erste die Idee, an dieser Stelle eine Verkehrsschneise durch die Stadt zu schlagen. Man darf vermuten, dass sie den Standort der alten Synagoge kannten. Was die Nazis nicht vollendeten, besorgte dann die junge Bundesrepublik mit ihrem Leitbild von der „autogerechten Stadt“. Am 31. August 1962 wurde die Nord-Süd-Fahrt dem Autoverkehr übergeben.

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