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Pssst! Mutti war die Beste

Ich bin ein Mann aus dem Westen. Und ein Macho. Das sagte schon meine Oma. Nicht die nette, sondern die andere Oma: die Feministin

VON ARNO FRANK

Ein mieser kleiner Macho war ich schon, bevor in der Pubertät irgendwelche Drüsen ihre Schleusen öffneten, mich mit dem Gift des Testosterons überschwemmten und in das Monster verwandelten, das ich heute bin: ein Mann.

Was wäre ich froh, wenn diese neuen akademischen Disziplinen mit den schicken englischen Namen Recht hätten, wenn das Geschlecht „konstruiert“ wäre und ich mich bei Bedarf auch in etwas ganz anderes verwandeln könnte, in eine Frau vielleicht. Aber ich offenbar ein Macho qua Geburt. Meine Großmutter war es, die mich über diese tragische Tatsache aufgeklärt hat. Natürlich nicht die „nette“ Oma, die mich mit Liebe und Süßigkeiten bombardierte. Sondern die andere, sperrige Oma, die zeitlebens zu hart gearbeitet und zu viel gelesen hat, als dass sie auf ihre alten Tage noch in die Rolle einer typischen Liebe-und-Süßigkeiten-Oma hätte schlüpfen können. Deshalb nannten wir sie nicht Oma, sondern, schön perfide, Oma Bärbel.

Um Michail Gorbatschow ging es, das weiß ich noch. Den fand ich toll. Oma Bärbel aber fand Raissa viel toller. Worauf ich irgendwas Falsches wie „Aber die ist doch nur seine Frau!“ gesagt haben muss, denn Oma Bärbel, das weiß ich noch, detonierte mit mehreren Megatonnen Sprengkraft: Ob ich denn überhaupt wisse, was für arme Würstchen Männer ohne ihre Frauen seien? Als ich darauf beharrte, dass trotzdem Michail die politischen Entscheidungen treffe, da schimpfte sie mich einen „kleinen Macho“. Obwohl ich keinen Schimmer hatte, was das sein sollte, ein Matscho, nannte ich sie fürderhin nur noch Oma Barbara. Erst viel später dämmerte mir, dass diese Frau (eine Anhängerin von SPD und FKK und Simone de Beauvoir) immer schon das finanzielle Rückgrat, die Versorgerin der Sippe gewesen ist.

Das war meine erste Begegnung mit Frauen. Frauenbewegte Frauen waren da noch mal ein anderes, lustigeres Kapitel, gerade im Sandkasten einer linken Universität. Die Förmchen lagen überall herum, und deswegen wollten die frauenbewegten Frauen auch damit spielen. Und so wurde nach Geschlechtern getrennt diskutiert, was die Geschlechter wohl trennen könnte. Und so wurde auch scharf zurecht gewiesen, wer eine angeblich patriarchalisch geprägte Formulierung wie „Aus aller Herren Länder“ gebrauchte, obwohl doch DER HERR … aber das ist alles Unfug und Zeitverschwendung, höchstens vielleicht noch Machtinstrument machtbewusster frauenbewegter Frauen. Und ein Zeichen für die dümmlich doktrinäre Seite, die dem Feminismus innewohnt wie jedem anderen Ismus auch.

Eine Ungerechtigkeit besteht angeblich darin, dass sich Männer in ihrer Männerwelt passive Weibchen für die Brutpflege wünschen, während sie selbst „draußen“ irgendwie ihren Spaß haben beim Jagen und Sammeln und gemeinsamen Onanieren im Gebüsch. Für Beschwerden über diesen Umstand aber sind „die Männer“ der falsche Adressat. Ist es für eine Frau nicht vergleichsweise leicht, sich beizeiten einen Mann zu suchen, dem sie nichts weiter als Hausfrau und Mutter seiner Kinder ist? Und ist es nicht umgekehrt schlicht unmöglich, als passives Männchen bei einer aktiven Frau für die gleiche Rolle vorzusprechen? Die Frau findet den Mann mit Schürze vielleicht süß, sexy findet sie ihn nicht. Oder nicht lange. Er ist gezwungen, sich als potent, patent und später auch noch solvent zu empfehlen. Er soll versorgen können, ganz gleich, ob er versorgen will.

Denn für das Verhältnis von Mann und Frau sind Mann und Frau nur vordergründig verantwortlich. Sobald vom Nachwuchs die Rede ist, geht es nicht um Glück oder Selbstverwirklichung. Sondern um den Fortbestand der Gattung selbst, wie überhaupt alles Leben weiterleben will, so gut es eben kann. Was bilden wir uns eigentlich ein?

Ich beispielsweise bildete mir ein, keine Kinder zu mögen. Neulich telefonierte ich mit einem Kollegen im Vaterschaftsurlaub. Wir sprachen gerade konzentriert über einen Text, den er geschickt hatte, als er plötzlich „Duuuutzidutzidutzi“ sagte. „Georg? Alles klar bei dir?“ „Aber ja. Ich kümmere mich nur um meinen Sohn, der sitzt gerade auf meinem Schoß.“ Ich wollte ein Kind. Auf der Stelle.

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