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juschtschenko in berlinGegen Schröder und Putin

Unter den Politikern in den Ländern des ehemaligen Ostblocks sind solche, die als „uncharismatisch“ bezeichnet werden können, besonders häufig. Auch der ukrainische Staatschef Wiktor Juschtschenko ist nicht gerade als Mann geschliffener Rhetorik und großartiger Visionen bekannt. Umso erstaunlicher waren sein selbstbewusstes Auftreten und die klare politische Agenda, die er bei seiner Rede im Bundestag präsentierte. Ihre Töne zeugten von europäischem Format. Damit – und nicht mit den erwartbaren Bekenntnissen zur europäischen Einheit – hat Juschtschenko seinem Land gestern den eigentlichen Dienst erwiesen.

KOMMENTAR VON DIETMAR BARTZ

Sein Wunsch, schon 2007 den institutionellen Weg zur EU-Mitgliedschaft einzuschlagen, zielt eher auf die ukrainische Innenpolitik ab als auf die deutschen Abgeordneten. Folgenträchtiger für den Westen war gestern hingegen, dass Juschtschenko von der Integration seines Landes in die Nato sprach – und dies ausgerechnet in der Passage seiner Rede zum ukrainisch-russischen Verhältnis. Selbst wenn die Nato reserviert bleibt, erweitert Juschtschenko damit seine Optionen um eine militärpolitische Dimension.

Dass er sich zudem erbötig machte, für die sichere Versorgung westeuropäischer Märkte mit Erdgas und -öl zu sorgen, ist nicht nur ein weiterer Seitenhieb auf Moskau. Es unterstreicht auch, dass sich Juschtschenko der rohstoffstrategischen Bedeutung seines Landes bewusst ist. Fein verknüpfte er deutsche und ukrainische Interessen gegen russische: Juschtschenko bat den Bundeskanzler im Privatgespräch, Deutschland solle bei der Abriegelung der ukrainischen Grenze gegen Transnistrien helfen. Diese Abspaltung von Moldawien, von prorussischen Kräften regiert, dient als wichtige Station im ost-westlichen Frauenhandel und für andere kriminelle Aktivitäten, die noch in Deutschland zu spüren sind.

Letzte Subtilität war Juschtschenkos Dank dafür, dass Bundeskanzler Schröder in den Tagen der orangenen Revolution seinen Freund Wladimir Putin zu mäßigen versuchte. Tatsächlich ist Schröder im ukrainisch-russischen Spannungsfeld kein natürlicher Verbündeter der Ukraine, sondern Russlands. Wenn Juschtschenko im Bundestag, gestützt auf die Legitimität seiner Wahl, zugunsten der Ukraine einen kleinen Keil zwischen Schröder und Putin, Deutschland und Russland, treiben konnte, war sein Auftritt in Berlin ein Erfolg.

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