: Kölner Polizei bekommt Contra
300 Menschen demonstrieren im rechtsrheinischen Köln gegen die Polizeiaktion „Wintercheck“. Die Kampagne treffe vor allem Menschen, die nicht ins Wunschbild einer „sauberen Innenstadt“ passen
VON MAC KASPAREK
Pünktlich zum Ende der Polizeiaktion „Wintercheck“ am Wochenende haben sich die Kritiker der umstrittenen Kampagne zu Wort gemeldet. Die Kölner Polizei wollte mit der Aktion die Kriminalitäts- und Unfallzahlen senken, das „Sicherheitsgefühl“ der Bürgerinnen und Bürger stärken und Köln im Rahmen der so genannten „Vision 2010“ zur „sichersten Millionenstadt“ Deutschlands machen.
Die Demo, zu der Sozialistische Selbsthilfe Köln (SSK) und diverse andere Gruppen aus dem linken Spektrum aufgerufen hatte, begann am Samstag Morgen an der Kalker Post, einem Schwerpunktort der Polizeiaktion „Winterscheck“, die im November 2004 von Oberbürgermeister Fritz Schramma, Polizeipräsident Klaus Steffenhagen und dem NRW-Innenminister Fritz Behrens ins Leben gerufen worden war.
An die 300 Menschen zogen nach Angaben der Veranstalter von dort über Deutz nach Mülheim zu einer Kundgebung auf dem Wiener Platz. Die Demonstration durch das rechtsrheinische Köln endete mit einem Abschlusskonzert neben dem Kulturbunker Mülheim an der Berliner Straße. Polizeikräfte waren nur in geringer Zahl vor Ort und blieben auf Distanz.
Unter dem Slogan „Freiheit stirbt mit Sicherheit“ kritisierten verschiedene Redner auf Kundgebungen während und nach dem Demonstrationszug die Polizeiaktion. Die Vision 2010 sei „menschenverachtend“ und stehe in Zusammenhang mit der „Agenda 2010“: Genau wie Hartz IV träfe „Wintercheck“ die ohnehin sozial schwachen Menschen. Polizeiliche Überwachung einerseits und der Zwang zur Offenlegung aller persönlichen Daten über die Arbeitsagentur andererseits seien zwei Seiten derselben staatlichen Kontrolloffensive. Betroffene würden wie potenzielle Straftäter behandelt, hieß es.
Offizielle Zahlen der „Aktion Wintercheck“, bei der Bundesgrenzschutz, Ordnungsamt, KVB, Amtsgericht und Ausländeramt zusammenarbeiten, werden zwar erst am morgigen Dienstag veröffentlicht. Doch aus einzelnen Pressemitteilungen ging bereits hervor, dass bei vielen Einsätzen hunderten von Personenkontrollen nur wenige Verhaftungen gegenüberstanden, neben einer größeren Zahl an Platzverweisen. Parallel dazu durchgeführte Verkehrskontrollen waren erfolgreicher: die mit Abstand größte Zahl an verzeichneten Vergehen waren Delikte wie „Fahren ohne Gurt“ oder „Handy am Steuer“.
Die Platzverweise stoßen bei den Polizeikritikern auf besonderen Protest. Dass die Polizei vor allem von diesem Mittel Gebrauch mache, sei ein typisches Zeichen für den Verlust des öffentlichen Raumes zu Gunsten privater, kommerzieller Interessen. „Aktionen wie Wintercheck“, so ein Redner, „sind genau wie die Video-Überwachung der KVB oder Vertreibungsmaßnahmen am Hauptbahnhof ein willkommenes Mittel, die Menschen auszugrenzen, die nicht ins Bild einer sauberen Innenstadt passen.“ Dazu gehörten neben MigrantInnen, die gegen Asylbestimmungen verstießen, oft Drogenabhängige, Obdachlose oder Personen, die zuvor schon wegen Taschendiebstählen aufgefallen waren.
Die „Aktion Wintercheck“ ist nun zwar offiziell beendet, doch OB Fritz Schramma und die Polizeispitze haben bereits weitere Maßnahmen angekündigt. Die Demonstranten kündigten an: „Dann machen wir auch weiter und schauen ihnen auf die Finger.“ Sie vermuten, dass der „Wintercheck“ auch eine PR-Aktion war: Der Polizei gehe es darum, ihr angekratztes Image in der Öffentlichkeit nach den diversen Skandalen der vergangenen Jahre medienwirksam aufzupolieren.
Wer sich über Polizei-Maßnahmen wie „Aktion Wintercheck“ und die „Vision 2010“ informieren will, trifft KritikerInnen jeden Donnerstag ab 20 Uhr in der „Mütze“ in Mülheim (Berliner Straße).
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