nazis im außenamt: Fischers Ärger mit der Geschichte
Zur „Visa-Affäre“ kommt jetzt die „Nachruf-Affäre“. Rund siebzig Diplomaten haben mit einer österlichen Unterschriftenaktion dagegen protestiert, dass Außenminister Joschka Fischer in seiner Hauszeitschrift keine ehrenden Nachrufe für Diplomaten mit NS-Vergangenheit mehr publizieren will. Im Gegenzug haben sich auch die Befürworter der Fischer-Linie zu Wort gemeldet. Damit ist klar: Mehr noch als der Visastreit spaltet der Blick aufs Biografische, der die Diplomaten ja auch ganz persönlich betrifft, das deutsche Außenamt.
KOMMENTAR VON RALPH BOLLMANN
Der Streit wird umso heftiger geführt, als sich Fischers Behörde ihrer Vergangenheit bislang so gut wie nicht gestellt hat. Eine wissenschaftliche Aufarbeitung ihrer Geschichte während des Dritten Reichs hat sie bis heute nicht in Auftrag gegeben. Mehr noch: Die Arbeit eines unabhängigen Historikers, der in den Achtziger- und Neunzigerjahren einschlägige Bücher publizierte, wurde von den Diplomaten sogar behindert. So beschränkt sich die einzige Stellungnahme, die auf der Homepage des Ministeriums nach langem Suchen zu finden ist, auf eine allzu lapidare Feststellung: Die Mitarbeiter des Auswärtigen Dienstes, heißt es dort, hätten sich während der Nazizeit „nicht besser, aber auch nicht schlechter als die übrigen Deutschen“ verhalten.
Noch immer hängen die Diplomaten dem lieb gewonnenen Mythos an, das Auswärtige Amt sei ein einziger Hort des Widerstands gewesen. Wer ein NSDAP-Parteibuch annahm, der habe sich damit nur umso wirkungsvoller vor der Einflussnahme des Regimes abschirmen wollen. Diesen Mythos hat Joschka Fischer sogar ungewollt befördert – durch seine gut gemeinten Initiativen, die Widerstandskämpfer aus den Reihen des Diplomatischen Korps besonders zu ehren. In den langen Jahren, als der Minister in der Öffentlichkeit wie im Amt nur sonnige Tage sah, wollte er die Harmonie durch eine kritische Aufarbeitung der Vergangenheit offenbar nicht stören.
Statt diese Auseinandersetzung nun aktiv zu führen, wiederholt Fischer seine Fehler aus der Visa-Affäre. Er schweigt, statt zu reden, er reagiert defensiv, statt die Geschichte des Außenamts offensiv zu thematisieren. Das Schweigen der älteren Karrierediplomaten zu ihrer eigenen Vergangenheit beantwortete er mit dem Verschweigen ihrer Biografie in der Hausmitteilung des Auswärtigen Amts. Das Reden überlässt er damit den Verharmlosern.
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