: Harburg in Unruhe
Gewerkschaft wirft neuen Phoenix-Eignern skrupelloses Vorgehen vor
von Kai von Appen
Für Peter Wind ist das Verhalten der ContiTech-Bosse im Zusammenhang mit dem Jobabbau bei Phoenix in Harburg beinahe menschenverachtend: „Das pure Streben nach Gewinnen ist skrupellos“, sagte der Nord-Sprecher der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) gestern im Hamburger Gewerkschaftshaus. „Hinter den Zahlen“, so Wind, „darf der Mensch nicht vergessen werden.“
Anlass für den Unmutsausbruch ist das Verhalten des neuen Phoenix-Eigentümers ContiTech bei den Interessenausgleichsverhandlungen im Zuge des geplanten Abbaus von 860 der 2.200 Arbeitsplätze. Die Hannoveraner Continental-Gruppe, die noch vor wenigen Tagen öffentlich ihre Bilanzerfolge feierte, hatte die Verhandlungen um sozialverträgliche Lösungen bei der Zusammenführung der Harburger Phoenix AG in den Konzernbereich ContiTech abgebrochen. „Wir sehen nicht, dass Conti sich nur einen Millimeter auf uns zu bewegt“, schimpft Peter Wind. „Hier geht es um die Ideologie des Vorstandes, Arbeitsplätze nach Osteuropa zu verlagern.“
Dabei hatten sich die Betriebsräte Wind zufolge um einen „konstruktiven Dialog und positiven Ausgang“ bemüht. „Wir haben dem Unternehmen plausible Konzepte vorgelegt, die aufzeigen, dass Arbeitsplätze an den betroffenen Standorten wirtschaftlich durchaus rentabel sein können“, berichtet der Verhandlungsführer und Betriebsratsvorsitzende der ContiTech Northeim, Jörg Schustereit. Viele Jobs könnten erhalten bleiben. „Es ist beschämend, dass nicht einmal ein ernsthafter Versuch gemacht wurde, darüber zu diskutieren.“ Nach Angaben der stellvertretenden Phoenix-Betriebsratsvorsitzenden Silke Falk wächst die Angst. „Die Unruhe unter den Mitarbeitern steigt“, berichtet sie. „Hier bangt ein ganzer Stadtteil um seine Zukunft. Denn Phoenix ist Harburg und Harburg ist Phoenix.“ Wind ergänzt: „Es ist unmenschlich, die Mitarbeiter und ihre Familien von Phoenix an den ContiTech-Standorten im Ungewissen zu lassen.“
Der IG BCE-Sprecher kündigt nun eine härtere Gangart seiner Gewerkschaft an, um „moralische Grenzen wirtschaftlichen Wachstums“ zu setzen. Denn den Rekordbilanzen würden schwere Einzelschicksale gegenüberstehen. Wind: „Unsere Position ist klar: Die Gewerkschaft sagt konsequent ‚Nein‘ zu einer Profitsteigerung zu Lasten der Arbeitnehmer.“
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