piwik no script img

Flierl mauert noch ein bisschen

Der Kultursenator legt endlich das „Gedenkkonzept Berliner Mauer“ vor. Kernpunkt: der Ausbau der Gedenkstätte Bernauer Straße. Dem „Freiheitsdenkmal“ Checkpoint Charlie gibt er keine Zukunft

von Philipp Gessler und Tina Hüttl

Nach Monaten des Wartens liegt es nun endlich vor, das „Gedenkkonzept Berliner Mauer“ des Kultursenators Thomas Flierl (PDS) – und die Begeisterung hält sich stark in Grenzen.

Das 23-seitige Konzept des Senators sieht vor allem einen Ausbau der Mauergedenkstätte an der Bernauer Straße vor. Dies solle „der zentrale Ort des Gedenkens an die Opfer der Berliner Mauer“ sein, heißt es in dem Konzept. Entgegen den Wünschen aus den SED-Opferverbänden soll die vorhandene Gedenkstätte mit der Mauerinstallation von Kohlhoff & Kohlhoff nicht vergrößert werden. Auch eine Rekonstruktion einer „kompletten“ Mauer mit insgesamt etwa zehn Sperranlagen samt Wachturm soll ausbleiben. Die etwas vagen Formulierungen legen dagegen nahe, dass das Gedenkareal an der Bernauer Straße eher parkähnlich bis zum Nordbahnhof erweitert werden soll.

Klar ist die Absage an das „Denkmal“ von Alexandra Hildebrandt am Checkpoint Charlie: „Aus rechtlichen, städtebaulichen und gedenkstätten- und denkmalpolitischen Gründen kann diese Gestaltung keine Dauer beanspruchen.“ Es soll dort nur einen „Ort der Information“ zur weltweiten Ost-West-Konfrontation im Kalten Krieg geben.

Den Charakter der bloßen „Handlungsempfehlung“ hat auch ein weiteres Detail: Flierl will den „Tränenpalast“ in sein Gedenkkonzept einbeziehen, wie er schon öfters verlauten ließ. Bezüglich möglicher Wege, dies zu erreichen, bleibt er jedoch unkonkret und unverbindlich wie bisher: „Es ist zu begrüßen, dass das Haus der Geschichte in Bonn und die Betreiber eine Kooperation eingehen wollen“, steht in Flierls Papier.

Doch die Zeit ist knapp: Die Frist, die die Finanzverwaltung dem jetzigen Betreiber, der Tränenpalast GmbH, zur Vorlage eines belastbaren Finanzierungsnachweises für den Kauf gesetzt hat, ist seit vergangener Woche abgelaufen. Nach Auskunft der Finanzverwaltung sei man daher nun in Gesprächen mit dem ebenfalls interessierten Investor Harm Müller-Spreer, der schon die umliegenden Grundstücke erworben hat. Ob der den Tränenpalast „als kulturellen Veranstaltungsort und als einen Ort historischer Information“ erhält, wie Flierl es wünscht, ist mehr als fragwürdig.

Die Oppositionsparteien reagierten verhalten auf Flierls Papier. Die CDU sprach von einem „Affront für die Öffentlichkeit und die Politik“, da sich das Abgeordnetenhaus nach Flierls Plänen „erst am Ende des Prozesses“ mit dem Konzept beschäftigen solle. Die Kulturexpertin der Grünen im Abgeordnetenhaus, Alice Ströver, nannte das Konzept „erst einen Gedankenansatz“. Auch ihre SPD-Kollegin Brigitte Lange wollte das Konzept nur als „Diskussionsgrundlage“ verstanden wissen. Immerhin kündigte Flierl an, dass der Senat mit dem Bund weiterhin „in einem gesonderten Verfahren eine Neuordnung der Gedenkstättenlandschaft erarbeiten und öffentlich zur Diskussion stellen“ werde. Die überfraktionelle Initiative von Bundestagsabgeordneten für ein Gedenken am Brandenburger Tor unterstützt er.

Umstritten ist bei Flierls Konzept zudem der lange Zeitraum für die Umsetzung: Es soll erst 2011, zum 50. Jahrestag des Mauerbaus verwirklicht werden. Alice Ströver kritisierte, dass das Konzept weder einen klaren Zeitplan noch genauere Finanzierungsmöglichkeiten vorschlage. Brigitte Lange bemängelte, der „Realisierungszeitraum“ bis 2011 sei „viel zu lang“. Außerdem fand sie es „schon verwegen“, wenn Flierl in seinem Konzept von der DDR als einer „menschenfreundlichen Gesellschaft“ spricht. Dies scheint der CDU gar nicht aufgefallen zu sein. Ihre kulturpolitische Sprecherin Monika Grütters kritisierte, dass das Wort „Diktatur“ nicht vorkomme – irrt da aber: Es wird immerhin zweimal genannt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen