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„Es war ein Fehler, zurückzukommen“

Kaum Arbeit, Wohnungen und Schulbildung: Aus Deutschland in die Heimat zurückkehrende Afghanen treffen dort auf vielfältige Probleme

Kinder schon in Deutschland auf Land und Sprache vorbereiten, damit sie keinen Kulturschock bekommen

KABUL dpa ■ Ashmad Malikzada weiß, was seine Landsleute erwartet. Der heute 30-jährige Afghane war im Jahr 2000 nach Deutschland geflohen, vor sieben Monaten kehrte er freiwillig in seine Heimat zurück. „Es war ein Fehler, zurückzukommen“, sagt er heute.

Er habe auf Präsident Hamid Karsai vertraut, der Rückkehrern einen Arbeitsplatz und ein Stück Land für ein Haus versprochen habe, sagt Malikzada. Nichts davon habe er bekommen. „Ich fühle mich betrogen“, beklagt er. In Afghanistan gibt es viel zu wenig Jobs, unzerstörte und vor allem bezahlbare Wohnungen sind Mangelware. Malikzadas vierköpfige Familie wohnt nun bei seinem Vater, in dessen Eisdiele der Rückkehrer arbeitet. 100 bis 150 Euro verdiene er im Monat, sagt Malikzada, in Stuttgart habe er in einer Pizzeria rund das Zehnfache verdient.

Der Hamburger Vorstoß nach Auslaufen des Abschiebestopps Ende April dürfte ein Versuchsballon für andere Bundesländer sein. Der afghanische Wirtschaftsminister Amin Farhang, der selbst 20 Jahre lang in Deutschland lebte, sieht die Abschiebungen skeptisch. Kein Land sei verpflichtet, Flüchtlinge für immer bei sich zu behalten, sagt er, aber: „Ich glaube nicht, dass Afghanistan so weit ist, die Flüchtlinge aufnehmen zu können.“ Die Afghanen in Deutschland hätten sich an eine andere Lebensweise gewöhnt, als sie sie in der Heimat vorfinden werden. „Wenn sie zurückkehren, man aber dafür die Voraussetzungen nicht schafft, entstehen große soziale Probleme.“

Neben der Angst vor der wirtschaftlichen Zukunft dürfte Rückkehrer-Familien das in weiten Teilen des Landes miserable Bildungssystem Sorge bereiten. Zumindest in Kabul gibt es aber eine Anlaufstelle: Die Amani-Schule für Jungen und die Aishe-i-Durani-Schule für Mädchen, die von Deutschland gefördert werden. Zehn bis 15 Rückkehrerkinder aus Europa werden dort unterrichtet, die allermeisten davon aus Deutschland. „Wir tun alles dafür, um ihnen den Übergang so leicht wie möglich zu machen“, sagt der deutsche Schuldirektor Volker Bausch.

Die Rückkehrer-Kinder werden zunächst einzeln in den Landessprachen Dari und Paschtu geschult, bevor sie in eine normale Klasse kommen. „Oft werden sie von den anderen Kindern nicht so leicht akzeptiert, weil sie anders sprechen und sich anders kleiden“, sagt Bausch. Wichtig wäre, die Rückkehrer-Kinder schon in Deutschland auf Sprache und Land vorzubereiten, „damit sie einfach nicht diesen Kulturschock bekommen“ – bislang geschehe das nicht.

Omar Nasimi hat den Kulturschock inzwischen verdaut. Zusammen mit seinen Eltern kam der 15-Jährige im Sommer vergangenen Jahres nach Afghanistan – der in Essen geborene Junge hatte das Land nur einmal vorher gesehen. Natürlich vermisse er die Freunde in Essen, der penetrante Staub und die ewigen Stromausfälle in Kabul machten es nicht leichter. Trotzdem: „Auch für mich ist das hier Heimat“, sagt Omar. „Nach Deutschland will ich vielleicht nochmal zum Urlaubmachen zurück. Aber nicht mehr für immer.“ Can Merey

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