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Paprika – die Pestizid-Packung

Alle Jahre wieder wird gewarnt: Obst und Gemüse sind stark mit Pestiziden belastet. Besonders problematisch sind Paprika aus der Türkei, aber auch aus dem EU-Land Spanien, so die Verbraucherzentrale. Schuld sind Ausnahmen im EU-Recht

Da kann einem schon der Appetit vergehen: Mit unschöner Regelmäßigkeit fallen Weintrauben, Tomaten und Früh-Erdbeeren durch amtliche Schadstoff-Prüfungen. Trauriger Spitzenreiter aber ist die Paprika. Fast jede zweite getestete Schote enthielt mehr Pestizide als erlaubt, wie das Bayrische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit im März feststellen musste. Untersuchungen in Hamburg und Baden-Württemberg bestätigen den Trend.

Die Bremer Verbraucherzentrale schlägt jetzt Alarm. Paprika aus der Türkei und aus Spanien sei oft mit vielen verschiedenen Pestiziden gleichzeitig belastet, so Regina Aschmann von der Verbraucherzentrale. Mit Grenzwerten für einzelne Pestizide sei diesem Gift-Cocktail nur schwer beizukommen, denn über die Wechselwirkungen der Substanzen untereinander sei praktisch nichts bekannt. „Das Mindeste ist die Einführung eines Summen-Grenzwerts für Pestizide“, fordert Aschmann. Ein solches Maß würde die zulässige Gesamtmenge an Gift in einem Lebensmittel festlegen.

Als Faustregel für den Einkauf kann gelten: Je empfindlicher ein Gemüse ist und je länger es transportiert wurde, umso höher ist wahrscheinlich die Pestizidbelastung. Die Verbraucherzentrale empfiehlt daher, regionale und saisonale Ware zu kaufen – sie enthält meistens weniger Rückstände. Unbedenklich seien Obst und Gemüse aus kontrolliertem biolgischen Anbau.

„Pestizid-Höchstmengen für Lebensmittel kann man im Moment sowieso vergessen“, sagt Manfred Krautter, Landwirtschafts-Experte bei Greenpeace. Denn: In Deutschland müssen alle Lebensmittel verkauft werden dürfen, die in anderen EU-Staaten produziert werden. Das gilt auch dann, wenn sie – nach den Gesetzen des Erzeugerlands legal – mit Giften behandelt wurden, deren Einsatz in Deutschland verboten ist. Möglich ist das über Ausnahme-Anträge, denen in der Regel stattgegeben werden muss. „Es ist verheerend, was da stattfindet“, so Krautters Urteil.

Zwar sei in den nächsten Jahren mit einer Einführung von EU-einheitlichen Grenzwerten für Pestizid-Rückstände zu rechnen. Auch Summen-Grenzwerte seien endlich geplant. Das eigentliche Problem liegt Krautters Ansicht nach aber in den mangelnden Kontrollen: „In Deutschland wird das geltende Recht einfach nicht vollzogen.“

Beim Lebensmittelüberwachungs-, Tierschutz- und Veterinärdienst (LMTVet), zuständig für die Kontrollen in Bremen, fühlt man sich durch den Vorwurf nicht angesprochen. Die Belastung von Paprika sei hier schon lange bekannt, so Sprecherin Annette Hanke: „Das ist Schnee von gestern.“ Es sei Aufgabe der Händler, darauf zu achten, dass ihre Ware gesetzliche Vorgaben erfüllt.

Da bleibt den VerbraucherInnen nur übrig, selbst zu entscheiden, ob sie den bunten Paprika-Pestizid-Cocktail nicht lieber im Laden liegen lassen wollen.

Peter König

Beratung zur Ernährung bei der Verbraucherzentrale dienstags von 10 bis 13 Uhr, donnerstags von 14 bis 16 Uhr unter ☎ 04 21 / 160 77 54

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