piwik no script img

Auf Dauer unzumutbar

Meist kommen Mieter und Vermieter lange Zeit gut miteinander aus. Doch in manchen Fällen kann es zu einer fristlosen Kündigung kommen – wegen eines auf Dauer unzumutbaren Mietverhältnisses

VON ANDREAS LOHSE

Erfüllt der Mieter seine vertraglichen Pflichten, ist er gemeinhin vor einer Kündigung durch den Vermieter geschützt. Es gibt nur wenige Möglichkeiten für den Hausbesitzer, die Bewohner vor die Tür zu setzen – und wenn dies von Gesetzes wegen doch möglich ist, muss es begründet sein.

Gut begründen lässt sich eine Kündigung beispielsweise dann, wenn ein Mieter den Vermieter und die Mitmieter belästigt, ihnen droht oder gar handgreiflich wird – kurzum: Wenn der Mieter „schuldhaft seine Pflichten“ verletzt, wie Juristen sagen. Das kann sogar zu einer „außerordentlichen fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund“ führen. Dies ist dann möglich, wenn eine „Vertragspartei den Hausfrieden nachhaltig stört“, sodass dem Kündigenden eine „Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann“ (BGB, Paragraf 569,2). Verhärten sich dann die Fronten, kann das Mietverhältnis für alle zu einer unzumutbaren Belastung führen. Dieser Paragraf gilt für beide Seiten.

Pauschale Behauptungen des Vermieters über die Störung des Hausfriedens reichen allerdings für eine Kündigung nicht aus. Vielmehr muss der Kündigungsgrund genau benannt sein, sodass der Mieter feststellen kann, ob die Kündigung berechtigt ist oder nicht (LG Berlin, Urteil v. 10. 2. 03, Az. 67 S 240/02). In einem Fall passte dem Mieter eine Sanierungsmaßnahme nicht. Er unterbrach fortlaufend die Stromversorgung für die notwendigen Arbeiten. Als der Verwalter einschritt, um das Kabel wieder anzuschließen, griff der Mieter den Verwalter an, woraufhin der gegen das Treppengeländer fiel und noch dazu getreten wurde. Der Mieter erhielt die fristlose Kündigung. Dies sei bei einem tätlichen Angriff ohne weitere Abmahnung möglich, bestätigten die Richter (LG Berlin, Urteil v. 3. 9. 01, Az. 67 S 210/00). Zieht der Mieter im Streit mit dem Vermieter gar die Pistole, ohne dass er einen Angriff abzuwehren gehabt hätte, ist die fristlose Kündigung ebenfalls rechtens (AG Warendorf, Urteil v. 27. 6. 95, Az. 10 C 75/95).

In Köln stand der Richter einem Vermieter bei, der von seinem Mieter auf eigentümliche Weise bedroht wurde. Nachdem sich beide wegen eines Zahlungsstreits überworfen hatten, kam es zur Kündigung mit Räumungsandrohung. Daraufhin schnitt der Mieter Zeitungsmeldungen aus, die er dem Vermieter übersandte. Inhalt: Bericht über eine Gasexplosion in einem Mietshaus mit Todesfolge. Der Vermieter sah sich darin derart bedroht, dass er ein „fristlos“ nachschob (AG Köln, Urteil v. 25. Mai 1997, Az. 219 C 36/97).

Doch müssen Ausfallserscheinungen des Mieters nicht in körperlicher und psychischer Gewalt gipfeln, um die Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar werden zu lassen. So hatte ein Mieter seinen Vermieter mit einer ganzen Reihe von Schreiben auf Mängel in der Wohnung aufmerksam gemacht – was sein Recht ist, sogar seine Pflicht, will er den Anspruch auf etwaige Minderung der Miete aufgrund von Wohnungsmängeln nicht verwirken. Allerdings hatte er es aber wohl etwas übertrieben: Innerhalb von gut drei Monaten wurde der Vermieter mit immerhin 174 Mängelrügeschreiben regelrecht terrorisiert, so später die Richter. Dem Vermieter sei die Fortsetzung des Mietverhältnisses wegen Dauer und Intensität der Störung des Vertrauensverhältnisses nicht zuzumuten: Die fristlose Kündigung war berechtigt (LG Bielefeld, Az. 22 S 240/01).

Auch verbale Attacken muss ein Vermieter nicht widerspruchslos dulden. So verlor ein Mieter den Prozess um die vermeintlich falsche Abrechnung von Betriebskosten zunächst vor Gericht – und anschließend die Nerven: Er warf der Hausverwaltung bei jeder sich bietenden Gelegenheit Betrug, Manipulation und Diebstahl vor, zog gar Parallelen mit mafiösen Machenschaften. Der Vermieter ließ sich solch schwer wiegende Vorwürfe und Beleidigungen nicht gefallen, sondern kündigte fristlos – zu Recht, beschied das Gericht (LG Stuttgart, Az. 18 S 665/99). Unterstellt der Mieter etwa dem Vermieter im Streit um die Berechnung der Miete eine Betrugsabsicht und erstattet Strafanzeige, ist die Räumung aufgrund fristloser Kündigung auch mit der Verfassung vereinbar (BverfG, Beschluss v. 2.10.01, Az. 1 BvR 1372/01). Substantiierten und beweisbaren Vorwürfen kann der Vermieter aber selbstredend nicht mit der Drohung einer fristlosen Kündigung begegnen.

Worüber sich manche in deutschen Heimatfilmen köstlich amüsieren, wurde einem Frankfurter zum Verhängnis: In der Mainmetropole stieg er mittels zusammengebundener Leitern nachts angetrunken in das Schlafzimmer einer anderen Mieterin. Die Polizei nahm den Mann vorläufig fest. Das böse Ende kam einige Tage nach dem Kater: Fensterln gegen den Willen der Bewohnerin begründet die fristlose Kündigung (Amtsgericht Frankfurt, Urteil vom 30. 11. 99, Aktenzeichen 33 C 2982/99-67).

Auch Mieter sind den – im folgenden Fall wörtlich zu nehmenden – Attacken ihres Vermieters nicht schutzlos ausgeliefert. So hatte der Sohn eines Hausbesitzers die Mieter bedrängt, ja sogar bedroht: Im Verlaufe eines Streits rammte der Sprössling dann ein Messer in eine neben der Wohnungstür der Mieter stehende Kommode, heißt es in den Akten. Zudem sei die Wohnungstür beschädigt worden. Die Situation erwies sich als „unmittelbar personengefährdend“ und war geeignet, die Familie „nicht nur in erheblichem Maße zu verunsichern“, sondern gab mit Recht dazu Anlass „weitere Vorfälle dieser Art zu befürchten“. Die Polizei fand später in der Wohnung des Sohnes unter anderem Baseballschläger und ein Messer mit Schlagringgriff – „was die Gefährlichkeit und Gewaltbereitschaft des Sohnes noch verdeutlichte“, so das Gericht. Die Mieter kündigten fristlos, der Vermieter widersprach. Das Landgericht bestätigte aufgrund der Bedrohungssituation im Haus eine „Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietvertrages“ (Az. 18 S 665/99).

Es liegt jedoch in der Natur der Sache, dass „Unzumutbarkeit“ subjektiv recht unterschiedlich empfunden wird. Deshalb gibt es keinen allgemein gültigen Maßstab dafür – gleichsam als Gradmesser –, was in einem Mietverhältnis unzumutbar oder gerade noch zumutbar sein könnte. Insofern wird dies im Einzelfall immer ein Richter entscheiden müssen, sofern sich die Vertragsparteien nicht letztlich doch noch gütlich einigen können.

In der Regel muss der Vermieter dem Mieter Gelegenheit geben, sein belästigendes oder bedrohliches Verhalten zu bessern, bevor die Kündigung fristlos ausgesprochen wird und greift. Beispiel: Wenn der Mieter gern lange und lautstark feiert, bedarf es vor der fristlosen Kündigung der Abmahnung mit Fristsetzung, damit der Mieter dieses Verhalten ändern kann. Nur in schweren oder aussichtslosen Fällen (etwa bei Zahlungsverzug) ist die Fristsetzung entbehrlich. Ebenso dann, wenn die Kündigung aus besonderem Grund in allseitigem Interesse ist, womöglich gar zur Gefahrenabwehr dient.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen