: Gesund essen, gut entwickeln
Abwechslungsreiche Mischkost ist für Kinder am gesündesten, sagen Ernährungsexperten. Auch kleine Gemüsehasser lassen sich zu Kohlrabi & Co überreden – durch schöne Dekorationen, Selbstkochen oder gemeinsames Essen mit anderen Kindern
VON MARTINA JANNING
„Iiih, Gemüse!“ Tom verzieht das Gesicht. Von Grünzeug hält der Siebenjährige gar nichts. Einzige Ausnahme: „Spinat mit Blupp.“ Trotzig besteht Tom drauf, dass seine Mutter die Spargelstückchen aus seiner Suppe wischt. Dann kann endlich gegessen werden.
Nicht verzagen, raten Ernährungsberater wie Claudia Laupert-Deick. „Der Geschmack von Kindern ändert sich ständig. Deshalb mögen sie manchmal Speisen nicht, die ihnen noch vor Wochen geschmeckt haben.“ Eltern sollten Gemüse einfach immer wieder anbieten – möglichst abwechslungsreich und viele verschiedene Sorten. Auch die Zubereitung kann Kinder zum Gemüseessen überreden. „In der Regel mögen Kinder gerne Rohkost“, weiß die Expertin aus Bonn. Damit könne man auch den Teller schön dekorieren. Schließlich isst das Kinderauge mit. „Wenn Kinder überhaupt kein Gemüse essen wollen, sollte man versuchen, es püriert in Soßen, Aufläufen oder Fleischbällchen zu verstecken.“ So gewöhne sich das Kind langsam an den Geschmack. Was es oft isst, mag es irgendwann auch. Ein weiterer Grund für viel Abwechslung auf dem Juniorteller: In der Kindheit entwickeln wir Vorlieben, die unser Essverhalten bis ins Erwachsenenalter prägen. Bei einseitiger Ernährung besteht die Gefahr, dass der Geschmack abstumpft und später nur noch Vanillepudding oder Burger munden. Außerdem warnen Ernährungsfachleute vor zu vielen künstlichen Aromen und Farbstoffen. Natürliche Lebensmittel entwickelten die Geschmackssinne am besten.
Ein anderer Trick, um Kindern Lust auf Pflanzenkost zu machen: „In einer Gruppe essen Kinder Gemüse meist lieber.“ Ein gemeinsames Mittagsmahl in Kindergärten und Grundschulen kann mehr Abwechslung in den Speiseplan bringen. Oder ab und zu mal Freunde zum Essen einladen. Besonderen Spaß macht es Kindern, selber zu kochen, stellt Laupert-Deick fest, wenn sie in Schulen geht und Ernährung ganz praktisch erklärt. Keine Frage, dass die Steppkes Selbstzubereitetes mit Genuss verputzen – sogar Gemüsesuppe, die sie zu Hause nie anrühren würden.
Doch nicht nur Gemüse ist wichtig für die kindliche Entwicklung. Laupert-Deick: „Die Ernährung sollte abwechslungsreich sein. Je größer das Spektrum an Lebensmitteln ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder alle wichtigen Nährstoffe bekommen. Das verringert die Gefahr von Mangelerscheinungen.“ Nahrungsergänzungsmittel sind somit nicht nur überflüssig, es werden auch mögliche Nebenwirkungen verhindert: Füttern Eltern ihre Kinder mit Präparaten für Erwachsene, besteht nämlich die Gefahr einer Überdosierung. „Der Körper gewöhnt sich unter Umständen an den Überschuss von Nährstoffen und schaltet die körpereigene Aufnahme zurück. Dadurch wird Nahrung schlechter verwertet“, erklärt Laupert-Deick.
Gesunde Kinderernährung sollte alle Lebensmittelgruppen berücksichtigen: Getreideprodukte und Kartoffeln, Obst und Gemüse, Milch und Milchprodukte, Fleisch, Fisch, Eier, Fette und Süßigkeiten. Doch wie viel Süßes ist okay? Das Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE) in Dortmund empfiehlt: maximal 60 Gramm am Tag für Klein- und Grundschulkinder und höchstens 100 Gramm täglich für Jugendliche. „Das sind Anhaltswerte. Deshalb muss man nicht jeden Tag 10 Gramm Schokolade oder 15 Gramm Gummibärchen abwiegen“, findet Beraterin Laupert-Deick.
Geht es auch ohne Fleisch? „Die Meinungen gehen hier sehr auseinander. Ich glaube, dass eine vegetarische Ernährung kombiniert mit Milch, Milchprodukten und Eiern grundsätzlich möglich ist, wenn die Eltern gut informiert sind, wie Nahrungsmittel zusammengesetzt sind“, urteilt Laupert-Deick. Eltern sollten die ergänzenden Wirkungen von Nahrungsmitteln kennen und zum Beispiel wissen, dass der Körper Eiweiß aus pflanzlichen Lebensmitteln nicht so gut verwertet wie aus tierischen. „Praktikabler und sicherer ist eine Mischkost.“ Von einer rein pflanzlichen Ernährung hält die Fachfrau nichts – die gesundheitlichen Risiken seien zu groß. Studien zeigen, dass vegan ernährte Kinder häufig Defizite an Eiweiß, Kalzium, B-Vitaminen und Jod haben. Das FKE und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung raten Eltern ausdrücklich davon ab, ihre Kinder vegan zu ernähren.
Gesund trinken, heißt nicht nur möglichst zuckerarm, sondern vor allem: genug. Im Vorschulalter sollten Kinder einen knappen Liter Flüssigkeit am Tag trinken, sagt das FKE. Denn schon ein Flüssigkeitsverlust von zwei Prozent des Körpergewichts mindert Ausdauer und Denkfähigkeit um ein Fünftel. Am besten geeignet sind Trink- oder Mineralwasser, Saft- und Gemüseschorlen sowie Tees aus Kräutern oder Früchten.
Eine ausgewogene Ernährung kann Kindern viele Probleme im späteren Leben ersparen, sagt Laupert-Deick. „Eltern sollten sich deshalb mehr Zeit nehmen, um mit ihren Kindern gemeinsam zu kochen und in Ruhe zu essen.“
Buchtipps: Annette Sabersky, „Was isst du denn da? Lexikon der gesunden und ungesunden Kinderernährung“, Verlag Urania 2005, 16,95 €. Das Heft „optimiX – Empfehlungen für die Ernährung von Kindern und Jugendlichen“ kann für 2 Euro unter www.aid.de heruntergeladen werden. Expertenberatung: was-wir-essen.de
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