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Krieg in der UkraineBiden erlaubt offenbar Angriffe mit US-Langstreckenwaffen

Medienberichten zufolge haben die USA der Ukraine den Einsatz von Raketen mit großer Reichweite gegen Ziele in Russland gestattet. Präsident Selenskyj möchte dies „nicht mit Worten kommentieren“.

Biden (l.) und Selenskyj beim Nato-Gipfel in Washington im Juli Foto: yonhap/dpa

Washington taz | Die Ukraine darf nach monatelangem Tauziehen künftig US-Raketen mit großer Reichweite auch für Angriffe auf russische Ziele hunderte Kilometer hinter der Grenze einsetzen. Dies haben übereinstimmend mehrere US-Medien am Sonntag berichtet.

Die Entscheidung aus Washington kommt weniger als zwei Wochen nach dem Wahlsieg von Ex-US-Präsident Donald Trump. Der Republikaner hatte während des Präsidentschaftswahlkampfs versprochen, dass er den Krieg in der Ukraine schnell beenden wolle. Er hatte zudem die weitere militärische Unterstützung der Ukraine während seiner kommenden Amtszeit infrage gestellt. Trump selbst hat die Medienberichte über die Aufhebung der Restriktion bislang noch nicht kommentiert.

Das Weiße Haus wollte sich auf Nachfrage der taz ebenfalls nicht zu den Medienberichten äußeren. Die New York Times, die zuerst über die Freigabe berichtet hatte, bezieht sich auf anonyme Aussagen aus Regierungskreisen.

Bislang keine Stellungnahme Bidens

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der seit Monaten zusammen mit anderen Alliierten auf die Freigabe der USA gedrängt hatte, äußerte sich in seiner abendlichen Ansprache zu den Berichten.

„Heute sprechen viele Medien davon, dass wir die Erlaubnis erhalten haben, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Aber wir werden diese Maßnahmen nicht mit Worten kommentieren. Solche Dinge werden nicht angekündigt. Die Raketen werden für sich selbst sprechen“, sagte Selenskyj.

Biden, der am Sonntag als erster im Amt befindlicher US-Präsident den Amazonas-Regenwald besuchte, hat bislang keine offizielle Stellung zu den Meldungen bezogen. Der Abstecher in den Regenwald war Teil von Bidens Reise zum G20-Gipfel, der am Montag und Dienstag in der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro abgehalten wird.

Es ist bereits das zweite Mal, dass die Biden-Regierung ihre Meinung zum Einsatz von US-Waffensystemen auf russischem Gebiet geändert hat. Die erste Lockerung gab es im Mai, nachdem Russland die zweitgrößte Stadt der Ukraine, Charkiw, angegriffen hatte. Das Waffensystem, das zur damaligen Zeit von amerikanischer Seite freigegeben wurde, hat eine Reichweite von 80 Kilometern.

Sorge vor Eskalation

Mit der neuen Befugnis für den Einsatz der Raketen wird die Reichweite fast vervierfacht, auf gut 300 Kilometer. Der Kurswechsel wird nicht nur als Reaktion auf Trumps Wahlsieg verstanden, sondern auch als Botschaft an Russlands Präsident Wladimir Putin nach dessen jüngster Entscheidung, Truppen aus Nordkorea zur Verstärkung im Konflikt einzusetzen.

Die von den USA auferlegten Limitierungen über den Einsatz der Waffensysteme haben in den vergangenen Monaten innerhalb der Nato für Spannungen gesorgt. Dass die US-Regierung erst jetzt ihre Zustimmung erteilt, liegt an den Bedenken, dass ein Einsatz der Raketen auf Ziele innerhalb Russlands zu einer weiteren Eskalation des Kriegs führen könnte.

Die Expertenmeinungen gehen hierbei auseinander. Manche sagen, dass diese Sorgen durchaus berechtigt seien. Wiederum andere halten Putins Aussagen über eine mögliche Ausweitung des Kriegs für leere Drohungen. Putin hat in der Vergangenheit immer wieder mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht, sollte der Westen es der Ukraine erlauben, Russland anzugreifen. In den vergangenen Tagen hatte Russland seine Angriffe auf die Ukraine verstärkt.

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8 Kommentare

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  • Das wird manchen nicht so gefallen, von Sarah bis Mützenich und Kretzschmar. Mehr telefonieren wäre wohl das bessere Rezept?

  • Wo soll da die Strategie sein?

    Wer als Nicht-Kriegspartei unterstützt, sollte darüber nicht öffentlich diskutieren und Ankündigungen machen. Damit ist jeder mögliche strategische Vorteil für die unterstütze Kriegspartei dahin oder stark gemindert.

    Die zweite Regierung Trumps ist die große Unbekannte und mit ihr wird jeder ukrainischer Einsatz weitreichender Waffen gegen Russland zum Hochrisikospiel. Ein paar weitreichende Raketen werden die Kräfteverhältnisse auf dem Schlachtfeld nicht ändern. Wenn im Januar dann mit Waffenlieferungen aus den USA, die durch die Europäer kaum kompensiert werden können, Schluss sein sollte, wird Putin’s Antwort wohl kaum zurückhaltender sein.

    Somit werden zwei Alternativen wahrscheinlicher: eine vernichtende Niederlage der Ukraine oder ein Ausweitung des Krieges. Unsere 'FriedenspolitikerInnen' haben es ja mehrfach angekündigt: Ein Sieg Putins ist keine Option.

  • Fuer mich sieht das wie ein verzweifelter Versuch aus, den Krieg noch schnell zu eskalieren bevor Trump an die Macht kommt.



    Baerbock begruesst diese Entscheidung waehrend Scholz von einer finnischen Loesung spricht und bei seinem Taurus-Nein bleibt. Vielleicht muessen die Demokraten und die Gruenen einfach weg, damit sich eine realistische Einschaetzung der Lage durchsetzen kann.

  • Putin hat die Urkaine überfallen. Und eskaliert mit Nordkoreanischen Truppen und schweren Waffen, die wohl geliefert werden sollen.

    Putin hält des West für schwch. Daher ist es die absolut richtige Entscheidung, sofern tatsächlich getroffen, dass Rakten weit nach Russland fliegen dürfen.

    Natürlich hört man schon wieder das gerassel mit einer Heraufbeschwörung des Dritten WK urc hden Westen. Den 3.WK hat Putin heraufbeschwört.

  • über 2 Jahre zu spät

  • Das mit den Raketen wird genauso enden wie mit HIMARS: am Anfang werden ein paar Ziele getroffen, dann entwickeln die Russen Gegenmaßnahmen und die Trefferwahrscheinlichkeit sinkt. Bei Himars von über 70% auf unter 6%. Damit ist die Waffe verbrannt, und muss durhc irgendwas neues ersetzt werden. Die Ergebnisse sind Nadelstiche welche die Russen veranlassen, die UA-Infrastruktur noch mehr anzugreifen. Diese Raketen werden genauso kriegsentscheidend sein wie die F-16, von denen man ja garnichts mehr hört. Und, dem Taurus würde es genauso ergehen und wir könnten dann noch mehr Geld in die Etwicklung eines Nachfolgers stecken. Aber vielleicht ist das ja der Sinn der Maßnahme die ja u.a. von Annalena Baerbock so vehement gefordert wird.

  • "Die Expertenmeinungen gehen hierbei auseinander. Manche sagen, dass diese Sorgen durchaus berechtigt seien. Wiederum andere halten Putins Aussagen über eine mögliche Ausweitung des Kriegs für leere Drohungen. Putin hat in der Vergangenheit immer wieder mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht, sollte der Westen es der Ukraine erlauben, Russland anzugreifen."



    Wo ist die genaue Referenz zum letzten Satz? Da kommt es wirklich auf die Details der Formulierung der Russen an. So vage wie es hier beschrieben wird, ist es schlicht fahrlässig und führt ein Stück näher zum Krieg. Eines sollte uns klar sein: Wenn beispielsweise Taurus in Moskau einschlagen, ist eine Atombombe auf den Taurus-Hersteller oder etwas ähnlich Unangenehmes höchstwahrscheinlich. Wo genau aber die Grenze der Russen liegt, wann solche Reaktionen erfolgen, kann man nicht seriös vorhersagen und es ist ein Spiel mit dem Feuer hier weiter zu eskalieren.

  • "Die Raketen werden für sich selbst sprechen“, sagte Selenskyj."



    Sie sprechen die Sprache derjenigen, die sie freigeben und einsetzen.