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Müntefering und die K-Frage bei der SPDPistorius statt Scholz!

Kommentar von Andreas Wyputta

Nur Pistorius kann die SPD noch vor einem Desaster bewahren. Scholz sollte seiner Partei einen Dienst erweisen und auf seine Kandidatur verzichten.

Pistorius ist beliebter, eloquenter und glaubwürdiger als Scholz Foto: Reuters

D ie SPD-Legende Franz Müntefering hat die Debatte um die K-Frage am Wochenende neu angefacht: Nur weil einer Kanzler sei, habe er kein Anrecht auf die Kanzlerkandidatur.

Seine Forderung nach einer offenen Debatte ist berechtigt. Boris Pistorius ist der beliebtesten Politiker Deutschlands. Bei einer im Grundgesetz nicht vorgesehenen Direktwahl des Kanzlers würde der Sozialdemokrat nicht nur CDU-Oppositionsführer Friedrich Merz, sondern auch Robert Habeck von den Grünen schlagen.

Seine Partei, die SPD, liegt dagegen mit derzeit 15 bis 16 Prozent Zustimmung nicht nur weit hinter den Konservativen, sondern auch hinter der AfD. Nicht umsonst warnen erste Bundestagsabgeordnete der SPD bereits vor einem „Desaster“.

All das sollte eigentlich Grund genug für die Ge­nos­s:in­nen sein, auf Pistorius zu setzen. Doch auch jenseits der Umfragen bringt der Niedersachse viel mit, was ein SPD-Spitzenkandidat braucht: Geboren in dem klassischen Osnabrücker Arbeiterviertel Schinkel, verkörpert der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann und studierte Volljurist die sozialdemokratische Erzählung vom Aufstieg durch Bildung.

Pistorius verkörpert sozialen Aufstieg durch Bildung

Im Gegensatz zu Friedrich Merz, der noch nie ein Regierungsamt innehatte, kennt er Politik auf allen Ebenen: Pistorius war vor seiner Berufung als Verteidigungsminister nicht nur Oberbürgermeister von Osnabrück, sondern auch zehn Jahre Landesinnenminister.

Damit steht er für das Thema, das den Wahlkampf prägen dürfte: die innere und äußere Sicherheit. Und Pistorius’ Biografie böte der SPD die Chance, dies mit der Frage der sozialen Sicherheit zu verknüpfen. Nichts radikalisiert Wäh­le­r:in­nen so sehr wie die Angst vor dem Abstieg.

Kanzler Olaf Scholz dagegen ist derart unbeliebt, dass er keine politische Zukunft mehr haben dürfte. Sein Image gleicht dem seines gescheiterten CDU-Konkurrenten Armin Laschet vor drei Jahren. Scholz sollte der SPD deshalb einen letzten Dienst erweisen und möglichst schnell seinen Verzicht erklären.

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Inlandskorrespondent
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7 Kommentare

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  • Scholz auszutauschen wird genauso erfolgreich sein, wie der Wechsel von Biden auf Harris.

  • Ich kann da nur dringend vor warnen, das wird ganz übel ausgehen.



    Das war einer der schlechtesten Bürgermeister die Osnabrück jemals hatte. Der musste damals regelrecht nach Hannover "fliehen", weil er der Osnabrücker SPD sonst schwer geschadet hätte.



    Und sollte er aufgestellt werden, dann werden alle seine Verfehlungen nochmal Bundesweit (möglicherweise Weltweit) Medial verarbeitet, und dabei macht der nicht unbedingt eine gute Figur...



    Das könnte der SPD dann wirklich den Rest geben.

  • Für die SPD und das zu erwartende Wahlergebnis wäre es aktuell sicher besser, wenn sie Pistorius als Spitzenkandidat in den Wahlkampf schickt. Langfristig würde das aber vermutlich die nach den Scholz-Jahren dringend notwendige Zäsur in der SPD schwieriger machen. Mützenich und Stegner, die im Auftreten gegenüber der russischen Aggression den Schuss immer noch nicht gehört haben, würden wahrscheinlich bleiben.

    Und dass die SPD wirklich mit Pistorius den ersten Platz holen könnte, halte ich nicht für übermäßig wahrscheinlich.

    Resultat wäre also wahrscheinlich eine SPD (immerhin) auf dem zweiten Platz, und eventuell eine große Koalition unter CDU-Führung.

    Zumindest außenpolitisch wäre mir aktuell Schwarz-Grün auf jeden Fall lieber. Denn dass die SPD allein durch einen Wechsel an der Spitze ihre Haltung des Zauderns und Zögerns wirklich ablegt, sehe ich leider noch nicht.

    Abgesehen davon schätze ich Scholz nicht so ein, dass er freiwillig zur Seite tritt. Und Pistorius, auch wenn ich ihn grundsätzlich schätze, halte ich für zu treu gegenüber Scholz, der ihn in die Bundespolitik geholt hat, als dass er es auf eine Kampfabstimmung ankommen lassen würde.

  • Eben nur den Anfang von "Miosga" im TV gesehen. Ganz "überraschend" fragt die TV Journalistin assistiert von einer Zeitungsjournalistin mehrfach nach, ob Herr Pistorius wegen seiner Beliebtheit nicht der bessere Kanzlerkandidat wäre.

    Tag für Tag ist die gleiche Frage oder Feststellung auch in anderen TV-Sendungen zu hören oder in fast allen Printmedien zu lesen.

    So können die Meinungs- und Stimmungsmacher das Feld für die nächste Umfrage bereiten, in der dann repräsentativ ausgewählte Bürger*innen die von Journalist*innen verbreitete Meinung "erstaunlicherweise" bestätigen.

  • Beliebtheit ist nicht unbedingt das oberste Kriterium, einen Kanzler (nicht) zu wählen. Es gibt Wähler, für die ist das sekundär.

  • Auch ein Pistorius ist wenig glaubwürdig solange im Hintergrund Mützenich, Miersch und Stegner weiterhin den Ton angeben.

  • Pistorius würde die CDU vor eine Problem stellen. Gegen Scholz andererseits führt der Wahlkampf sich allein.