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Frieden in der UkraineFaule Deals

Donald Trump behauptet, den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine innerhalb kürzester Zeit beenden zu können. Ist das realistisch?

Am 11. November 2024 traf ein russischer Luftangriff auch das Wohnheim der Poly­technischen Universität von Saporischschja Foto: Foto: Stringer/reuters

D er Wahlsieg von Donald Trump löste eine Welle von pessimistischen Prognosen in Kyiw und in den europäischen Hauptstädten aus. Aber auch in Moskau scheint keine große Freude zu herrschen – da sieht man Trump als ein unvorhersehbares Risiko für die Kriegsziele des Regimes Putin. Zum jetzigen Zeitpunkt kann niemand genau sagen, wie Trump sein Versprechen erfüllen will, den Krieg binnen 24 Stunden zu beenden. Möglicherweise weiß es Trump selbst nicht.

Eine Möglichkeit, auf die immer wieder hingewiesen wird und die in die Rhetorik von Trump ganz gut passen würde, wäre ein „Big Deal“: das Einfrieren des Konflikts entlang der aktuellen Frontlinien. Einige Mitglieder von Trumps Team haben das bereits vorgeschlagen. Die Erwartung wäre, dass die Ukraine auf die militärische Befreiung der besetzten Territorien im Osten verzichten würde. Im Gegenzug würde Russland das Ziel aufgeben, durch militärische Gewalt ein neues moskautreues Regime zu erzwingen. Um diesen Deal umzusetzen, würde Trump der Ukraine damit drohen, seine militärische und wirtschaftliche Unterstützung zu reduzieren. Russland wiederum könnten die USA damit unter Druck setzen, die Unterstützung der Ukraine massiv auszubauen – und sogar mit noch radikaleren Szenarien wie der direkten Einmischung der USA und der Nato in den Krieg. Falls das der Plan Trumps wäre, gäbe es vier Szenarien.

Beide Seiten akzeptieren den Deal

Auf den ersten Blick scheint es ein bitteres Ergebnis für die Ukraine zu sein – sie muss sehr lange Zeit darauf verzichten, dass ihre territoriale Integrität wiederhergestellt wird. Und sie wird dauerhaft mit der Gefahr aus dem Osten leben müssen, denn Putins Regime und seine militärischen Kapazitäten bleiben intakt. Wenn man aber auf den aktuellen Kriegsverlauf blickt, scheint das Szenario aus ukrainischer Perspektive vielleicht doch nicht so schlecht zu sein.

Denn anders als viele es ursprünglich erwartet hatten, ist Putins Regime in Russland trotz 1.000 Tagen Angriffskrieg stabil. Was wichtiger ist: Auch die russische Wirtschaft bleibt stabil. Das Regime ist deswegen in der Lage, die Militärproduktion sicherzustellen und für ausreichend Soldaten zu sorgen. Putin braucht nicht unbedingt eine Mobilmachung, denn neue Rekruten werden durch großzügige finanzielle Anreize angelockt (was wiederum nur geht, weil die Wirtschaft läuft). Der Westen kann die Ukraine zwar mit militärischer Ausrüstung und Geld unterstützen, aber das Problem knapper personeller Ressourcen kann er nicht lösen.

Von Anfang an bestanden keine Zweifel, dass der Krieg irgendwann mit einem Verhandlungsfrieden abgeschlossen wird. Die Frage war immer nur, ob gerade jetzt schon der richtige Moment dafür ist, oder ob man die Ukraine durch weitere Unterstützung in eine bessere Verhandlungsposition bringen kann. Falls man aber weder erwartet, dass ihre Lage besser wird, noch dass Putins Regime (oder die Wirtschaft) kollabieren, ergibt es keinen Sinn, darauf zu hoffen, dass die Bedingungen des Friedens in der Zukunft besser werden.

Das gilt umso mehr, weil es gerade für die Ukraine Chancen eröffnet, den Krieg einzufrieren. Ob die Ukraine der Nato beitreten wird, ist unklar. Aber in jedem Fall würde der Westen dem Land dabei helfen, sein militärisches und wirtschaftliches Potenzial wieder aufzubauen. Trump wäre dabei wohl besonders aktiv, um lukrative Geschäfte für US-Konzerne zu sichern. Man würde die Grenze zu den besetzten Territorien mili­tärisch gegen eine eventuelle neue Aggression sichern. Die Geflüchteten kämen zurück, und man könnte die Energieinfrastruktur aufbauen. Freilich könnte auch Russland die Zeit nutzen, um sich militärisch zu stärken, aber gerade jetzt sieht es danach aus, dass die Vorteile einer Atempause für die Ukrai­ne größer werden. Falls Trump dazu noch die Ölförderung in den USA stärken würde (was er beabsichtigt) und die Rohstoffpreise weltweit fallen, würde das die russische Wirtschaft hart treffen. Für Putin könnte eine solche Entwicklung gefährlich werden.

Russland nimmt den Deal nicht an

Aus den genannten Gründen erscheint es plausibel, dass Putin an einem Deal gerade jetzt eigentlich kein Interesse hat. Aus seiner Sicht kann es attraktiver sein, weiteren Druck auf die Ukraine auszuüben, um irgendwann doch sein strategisches Ziel (ein ihm untergeordnetes Regime in Kyiw) zu erreichen. Aktuell kann er den Krieg weiterführen und sich verhandlungsbereit präsentieren, mit dem Verweis, dass vom Westen keine Angebote kommen. Falls Trump so ein Angebot machen würde, stünde Putin jedoch vor großen Problemen.

Erstens würden die USA die militärische Unterstützung der Ukraine massiv erhöhen, wenn Putin das Angebot ablehnt. Trump hat den alleinigen Vorteil unter allen westlichen Staatsoberhäuptern, dass er glaubwürdig unvorhersehbar ist – der Kreml müsste also sogar die radikalsten Drohungen Trumps ernst nehmen. Diesen Trumpf hat Trump bereits während seiner ersten Präsidentschaft sehr erfolgreich gegen Nordkorea ausgespielt. Zweitens wäre eine Weigerung Putins, auf einen Deal einzugehen, sehr wahrscheinlich ein enormes Problem in den Augen des Globalen Südens und eventuell auch Chinas. Und drittens würde die Entscheidung, das Angebot nicht anzunehmen, für die russischen Eliten und die Bevölkerung bedeuten, dass ein dauerhafter Krieg die einzige Option bleibt. Denn außer Trump scheint heute niemand im Westen bereit zu sein, Angebote an Putin zu machen, und man würde die allerletzte Chance ablehnen, einen Exit zu finden. Putin mag zu jahrelangem Krieg bereit sein – ob das auch auf die Eliten zutrifft, ist unklar.

Die Ukraine nimmt den Deal nicht an

Auch dieses Szenario ist nicht ganz ausgeschlossen. Für Selenskyj wäre ein Deal politisch gefährlich. Er hat seinem Volk versprochen, den russischen Angriff ohne Zugeständnisse an den Aggressor abzuwehren. Unmittelbar nach einem Waffenstillstand würden Präsidentschaftswahlen stattfinden, weil das Kriegsrecht dann nicht mehr gilt. Für Selenskyi könnte ein solches Szenario auch deshalb unvorteilhaft sein, weil es in der ukrainischen Elite und Bevölkerung noch immer Stimmen gibt, die auch ohne amerikanische Unterstützung weiterkämpfen wollen. Doch auch wenn die Ukraine den Kampf ohne die USA fortsetzen würde, bleibt unklar, ob sie dabei noch Erfolgschancen hätte. Die europäischen Verbündeten müssten dann überlegen, ob sie die ausfallende amerikanische Hilfe ersetzen können – was zumindest schwierig zu sein scheint.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Trump schlägt keinen Deal vor

Auch dieses Szenario darf man nicht ausschließen. Es kann sein, dass Trumps Be­ra­te­r*innen – oder die der Ukraine –ihn dazu bringen, Russland gar keine Angebote zu unterbreiten. Zum Beispiel könnte Trump die Möglichkeit attraktiv finden, einen privilegierten Zugang zu ukrainischen Ressourcen zu erhalten. Oder es kann sein, dass sich Trumps Aufmerksamkeit auf andere Themen kon­zen­triert und er gar keine Zeit findet, sich um die Ukraine zu kümmern.

Diese vier Szenarien sind natürlich extrem vereinfacht. Auch wenn der Deal kommt, sind seine Bedingungen völlig unklar. Und keines der Szenarien bedeutet, dass es zu dauerhafter Stabilität im östlichen Europa kommt. Sie sind alle lediglich als Vorbereitungsphase auf einen sehr langen neuen Kalten Krieg zu sehen, mit dem die EU und Deutschland zu leben haben werden.

Alexander Libman ist Professor für Politik­wissenschaften mit ­Schwerpunkt Osteuropa und Russland an der FU Berlin.

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5 Kommentare

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  • Die negative Überschrift passt m.E. nicht zu dem ausgewogenen Artikel.

    Es mag nach Trumps Wahlsieg pessimistische Kommentare gegeben haben. Es gab dafür aber eine optimistische Reaktion von Teilnehmern des Anleihemarktes. Die Kurse ukrainischer Anleihen gingen deutlich hoch, teils als Ergebnis erfolgreicher Umschuldungen, teils aber auch wegen der Aussichten auf einen Deal, in dessen Folge offenbar doch sogar eine gewisse Stabilität in der Region und ein wirtschaftlicher Aufschwung erwartet wird.



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    www.ft.com/content...-a28e-8e8dc16896c2



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    Wollen wir hoffen, dass die Spekulanten recht behalten.

  • Das war ein wirklich gut recherchierter Artikel, vielen Dank dafür. Aber was wäre mit Szenario 5?

    "Falls Trump dazu noch die Ölförderung in den USA stärken würde (was er beabsichtigt) und die Rohstoffpreise weltweit fallen, würde das die russische Wirtschaft hart treffen."

    Trump führt den Plan aus, zusammen mit dem Partner der USA Saudi-Arabien.



    Die Ukraine wird massiv aus Europa mit Material versorgt. Russland wird wirtschaftlich hart getroffen. Dann gehen auch die freiwilligen aus weil der finanzielle Anreiz fehlt und Putin zieht sich zurück bevor Russland kollabiert weil eine Mobilmachung nach der anderen folgt.

    Dann würde man auch keine Ukrainer dazu verdammen unter dem russischen Regime leben zu müssen inkl. deportierter Kinder, Vergewaltigungen, Mord und Massaker wie in Butscha

    P.s. "Denn anders als viele es ursprünglich erwartet hatten, ist Putins Regime in Russland trotz 1.000 Tagen Angriffskrieg stabil"

    Was aber auch bedeutet, die Ukraine setzt sich nun seit 1000 Tagen erfolgreich gegen das ach so mächtige Russland zur wehr. Darf man nicht vergessen.

  • Auf jeden Fall scheint mir schon lange klar, dass nur ein amerikanischer Präsident irgendeine Bewegung in die Sache bringen kann und muss. Wir stehen sonst bald vor dem Problem, dass wir zwar Waffen, aber keine Soldaten schicken können.



    Ich mag mir wirklich nicht vorstellen, dass alle 18jährigen ukrainischen Männer nur mit einer Aufgabe ihr junges Leben gestalten dürfen:auf dem Schlachtfeld zu kämpfen.

    • @poesietotal:

      Das Durchschnittsalter der UA-Soldaten ist 43 Jahre (manche sagen 46). Die 18-jährigen sind da nicht so vertreten. Und, wenn Trump die Unterstützung einstellt muss die UA sofort einem bzw jedem Frieden zustimmen denn die Europöäer können bzw wollen die erforderlichen Mittel um den Krieg fortzuführen nicht aufbringen. Aussserdem glaube ich nicht dass die USA die militärische Unterstützung "massiv erhöhen" würden wenn Putin Verhandlungen ablehnt. Das wäre extrem unpopulär in den USA, eher wird Trump versuchen die Europäer zu höheren Leistungen zu zwingen. Das wiederum wäre extrem unpoulär in Europa bzw Deutschland. Die Bodenschätze der UA sind sowieso verloren, also wird Trump ein Kriegsende herbeiführen das die UA in einer verkleinerten Version als neutralen Puffer-Staat definiert. Dann dürfen die Europäer den Wiederaufbau und die Margen der UA-Oligarchen bezahlen. Die UA steht im internationalen Korruptionsindex auf Platz 120. Auch da wird es jede Menge Geld zu verdienen geben. Aber, Unser Geld ist ja nicht weg, das hat halt nur jemand anders..

  • Das ist interessant zu lesen, doch völlig hypothetisch. Wir haben es mit TrumPutin zu tun, gleich zwei ultra-Egomanen, gleich zwei absolut rücksichtslose, brutale Psychos, gleich zwei Ignoranten die sich einen feuchten Kehricht um internationales (oder auch nationales) Recht und Demokratie scheren. Der Öffentlichkeit bleibt gar nichts übrig, als sorgenvoll abzuwarten was diese beiden Extremisten aushecken.