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Amtsenthebung von Kenias VizepräsidentIm Krankenbett mitten in der Nacht gefeuert

Rigathi Gachagua ist als Vizepräsident von Kenia abgesetzt. Der zweite Mann in Kenias Staat verliert seine Macht und zugleich seine Gesundheit.

Rigathi Gachagua wurde als Kenias stellvertretender Präsident abgesetzt Foto: Thomas Mukoya/reuters

Nairobi taz | Der wohl dramatischste Tag der modernen kenianischen Politik ist in der Nacht zu Freitag mit der Amtsenthebung von Vizepräsident Rigathi Gachagua zu Ende gegangen. Nach dem Unterhaus des kenianischen Parlaments stimmte am Donnerstag auch der Senat für das „Impeachment“ des 59-jährigen Politikers. Der war aber gar nicht da – am Nachmittag war er mit Schmerzen im Brustbereich ins Krankenhaus eingeliefert worden.

Die 67 Senatoren befanden Gachagua in fünf der elf Anklagepunkte des Amtsmissbrauchs für schuldig und stimmten für seine Amtsenthebung. Unmittelbar nach dem Votum wurde sein Sicherheitspersonal abgezogen und die Webseite des „Office of the Deputy President of Kenya“ abgeschaltet.

Die formale Amtsenthebung wurde umgehend per amtlicher Veröffentlichung umgesetzt – man hatte erwartet, dass das erst am Freitag kommen würde. „Sie vollziehen das Impeachment mitten in der Nacht. Es fühlt sich an wie ein Rückfall in finstere Zeiten“, sagt ein politischer Aktivist.

Amtsenthebung bringt Privilegienverlust

Mit dem Impeachment verliert Gachagua nicht nur sein Amt, sondern auch alle damit verbundenen Privilegien, also das Ruhegeld, die Rente, Fahrzeuge und Benzingeld.

Die Senatoren erklärten, Gachagua habe die nationale Einheit untergraben, den nationalen Zusammenhalt kompromittiert, die nationale Sicherheit und die Justiz untergraben und seinen Amtseid gebrochen. In dem Moment, als 53 Senatoren für das Impeachment stimmten und nur 13 dagegen, war die Sache gelaufen: es hätte genügt, einen einzigen der elf Anklagepunkte zu bestätigen, um die Amtsenthebung zu vollziehen.

„Amtsenthoben, während er im Krankenhaus liegt, ohne Gelegenheit, sich zu verteidigen – das ist nicht fair gegenüber meinem Mandanten“, sagt Elisha Ongoya, Gachaguas Rechtsanwalt. Er hatte zuvor erfolglos an den Senat appelliert, das Votum angesichts der Abwesenheit des Angeklagten auf kommenden Dienstag zu vertagen. Gachagua muss nach Angaben von Ärzten im Krankenhaus von Karen, ein Nobelviertel von Nairobi, „mindestens 48 bis 72 Stunden“ dort unter Beobachtung bleiben.

Klare Mehrheit für Impeachment nach Kritk am Präsidenten

Vor dem Senat hatte die Nationalversammlung am 8. Oktober mit 282 zu 44 Stimmen bei einer Enthaltung für Gachaguas Impeachment gestimmt. Das Verfahren bedeutete die Zuspitzung eines Zwists zwischen dem Vizepräsidenten und Präsident William Ruto, mit dem er 2022 gemeinsam ins Amt gewählt worden war. Nachdem Gachagua Ruto kritisiert hatte, wurde ihm unter anderem unrechtmäßige Aneignung von Immobilienbesitz vorgeworfen.

Manche Beobachter halten die Vorwürfe und das Impeachment für politisch motiviert – der Präsident wolle durch die Entfernung seines unbequem gewordenen Stellvertreters seine Macht konsolidieren.

Rutos Stellung ist allerdings auch nicht gewährleistet, nachdem im Frühsommer massive Unruhen Kenia erschüttertert hatten. Es gibt Rufe seitens seiner Gegner, auch ihn wegen des Todes Dutzender Protestierender und der tiefen Wirtschaftskrise des Landes seines Amtes zu entheben.

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