Vor den Wahlen in Kenia: Vergiftetes Klima

Vizepräsident Ruto wirft dem gegnerischen Lager vor, ethnische Gewalt zu schüren. Hassaufrufe im Internet und verdächtige Flugblätter sollen zirkulieren.

Passanten und Passantinnen gehen an einer Mauer entlang, im Hintergrund ein Wahlkampfplakat von William Ruto

Hitziger Wahlkampf: William Ruto, hier auf einem Plakat in Nairobi, will am Dienstag gewinnen

NAIROBI taz | Wenige Tage vor den Wahlen in Kenia am Dienstag ist das Klima zwischen den politischen Lagern vergiftet. Die Wahl könnte die am härtesten umstrittene in Kenias Geschichte seit der Einführung von Mehrparteienwahlen vor 31 Jahren werden.

Uhuru Kenyatta, Präsident Kenias

„Unsere Gegner müssen lernen, würdig zu verlieren“

Das Wahlbündnis von Vizepräsident William Ruto, Kwanza Kenya, hat der von Präsident Uhuru Kenyatta unterstützten Wahlallianz von Oppositionsführer Raila Odinga, Azimio la Umoja – One Kenya, vorgeworfen, ethnische Gewalt in Gebieten vorzubereiten, in denen Ruto mit dem Sieg rechnen kann. Es sollen in Teilen der Regionen Rift Valley und Mount Kenya entsprechende Pamphlete zirkulieren, hieß es. Auch solle dort die Stimmabgabe behindert werden, damit es weniger Ruto-Stimmen gibt.

Rigathi Gachagua, der Vizepräsidentschaftskandidat von William Ruto, wiederholte den Vorwurf auf einer Kundgebung in Kirinyaga. „Die einzige Karte, die bleibt, ist das Schüren ethnischer Konflikte im Rift Valley“, sagte er über die angeblichen Vorbereitungen des Odinga-Lagers.

Odinga wies den Vorwurf auf einer seiner abschließenden Wahlkampfveranstaltungen zurück. „Wir werden dir nicht erlauben, das Volk von Kenia aufzuhetzen“, rief er an die Adresse Rutos gerichtet. „Du kannst das kenianische Volk nicht rückwärts führen. Da kommen wir her. Wir gehen nicht dahin zurück. Wir marschieren vorwärts, für die Einheit und den Wohlstand Kenias.“

Angst vor neuer Eskalation

Auch Präsident Kenyatta sagte: „Wir werden nicht damit einverstanden sein, dass es Konflikte gibt, bloß weil eine Seite bei der Wahl verlieren wird. Unsere Gegner müssen lernen, würdig zu verlieren. Sie können das Volk von Kenia nicht aufhetzen, sie können keine Konflikt schüren.“ Aus seiner Sicht ist Raila Odingas Sieg sicher.

Beide Seiten erinnern sich an die Wahlen von Ende 2007, die in massive ethnische Gewalt mit über 1.200 Toten und 600.000 Vertriebenen mündeten. 2012 unterzeichneten die Ältesten der beiden rivalisierenden Volksgruppen Kikuyu und Kalenjin sowie Vertreter anderer Ethnien das Nakuru-Friedensabkommen, auch als Friedensabkommen von Rift Valley bekannt, in dem sie der ethnischen Gewalt abschworen. Appelle, dieses Abkommen zu bewahren, stehen im Zentrum der Bemühungen, Kenias Wahl 2022 friedlich zu halten.

Das kenianische Innenministerium warnte alle Bürger vor dem Schüren von Angst. „Leider haben wir Kenntnis von Flugblättern erhalten, die die Wählerschaft vor schlimmen Folgen warnt, sollten sie ihre Stimmen am 9. August nicht für bestimmte Kandidaten abgeben“, sagte Staatssekretär Karanja Kibicho. „Ein Sicherheitsteam aus mehreren Behörden ermittelt die Autoren und Verteiler dieser Flugblätter, um sie einem raschen und wohlverdienten Termin mit der Justiz zuzuführen.“ Die Sicherheit aller Kandidaten sei gewährleistet.

Fehde zwischen Präsident und Vize

Besondere Sorge bereiten Hassaufrufe auf Facebook. Nach Angaben des Facebook-Konzerns Meta wurden in den sechs Monaten bis Ende April gegen über 37.000 Posts und 42.000 Inhalte aus Kenia auf Facebook und Instagram wegen Bruchs der Regeln gegen Hassrede vorgegangen – und das war noch vor der heißen Wahlkampfphase.

Dass Präsident und Vizepräsident in diesem Wahlkampf zu Gegnern geworden sind, hat eine spektakuläre Stimmung erzeugt. Uhuru Kenyatta und William Ruto beharken sich jetzt persönlich in aller Öffentlichkeit. „Ich werde dir ins Gesicht sehen, solange du nicht meine Kinder umbringst“, wurde Ruto über Kenyatta zitiert, und auf einer Veranstaltung sagte er an Kenyatta gerichtet: „Herr Präsident, hören Sie auf, über mich zu reden. Reden wir über Ihren Kandidaten. Als Sie Unterstützung brauchten, habe ich Sie unterstützt. Wenn Sie mich nicht unterstützen wollen, lassen Sie mich in Ruhe.“

Kenyatta antwortete Ruto bei der Eröffnung einer neuen Stadtautobahn in Nairobi: „Konzentrieren Sie sich auf Ihren Wahlkampf und verkaufen Sie Ihr Wahlprogramm. Lassen Sie mich in Ruhe. Ich mache meine Arbeit.“

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