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Neues Soloalbum von Alan SparhawkEine Art Mantra

Alan Sparhawk von der Band Low hat ein neues Soloalbum veröffentlicht. Der Tod seiner Partnerin und Bandkollegin Mimi Parker hallt darauf nach.

Alan Sparhawk sucht auf seinem neuen Soloalbum nach Antworten Foto: Sophia Photo Co.

Mit der Vorabsingle „Can You Hear“ kündigte US-Musiker Alan Sparhawk sein neues Soloalbum „White Roses, My God“ an. „Wake, can you hear the tech rack / Hey, can you hear the rasbine / Hey, can you hear the which why / Hey, can you hear the ride.“ So beginnt der Song, Sparhawks Gesang ist vom Autotune-Effekt bis zur Unkenntlichkeit verfremdet. Vielleicht hat das mit Trauer zu tun. Denn auch im weiteren Verlauf des Albums wartet der Musiker mit einer Menge grundsätzlicher Fragen auf. Fragen, die wohl der Tod seiner Lebensgefährtin und Bandkollegin Mimi Parker aufgeworfen hat.

Doch ist Alan Sparhawk nicht nur auf der Suche nach Antworten, sondern auch auf der Suche nach seiner Stimme. „White Roses, My God“ heißt das neue Album des US-Musikers Alan Sparhawk. Es klingt so, als hätte er nach dem Tod von Mimi Parker nicht nur seine Stimme, sondern auch sich selbst finden müssen. Es ist erst Sparhawks zweites Soloalbum, „Solo Guitar“ hieß das Debüt, erschienen bereits 2006. Das kommt, der Name lässt es bereits vermuten, nur mit Gitarre daher und ganz ohne Worte.

Worte sind nun auf „White Roses, My God“ viele zu finden, oft in Repetition, teils aus Improvisationen entstanden und immer verfremdet, verglitcht, verzerrt. Auch der Musik dieses Albums könnte man vorwerfen, ein wenig eintönig zu klingen, sofern man seine Entstehungsgeschichte nicht kennt und den Schmerz, aus dem es entstanden ist.

1993 gründeten Alan Sparhawk mit seiner Lebensgefährtin Mimi Parker und wechselnden BassistInnen das Trio Low, es gilt als eines der wichtigsten Bands im Genre Slow-Core. Die beiden Musiker:innen, die sich bereits in ihren Teenagerjahren ineinander verliebt hatten und immer ein Paar blieben, waren die einzigen festen Mitglieder der Band.

Das Album

Alan Sparhawk: „White Roses, My God“ (Sub Pop/Cargo)

Am 6. November 2022 starb Mimi Parker mit nur 55 Jahren an Krebs. Die Erkrankung hatten Low erst kurze Zeit vorher bekanntgegeben, weil Konzerttermine abgesagt werden mussten. Glücklich können sich jene Fans schätzen, die Low zuvor live gesehen haben. Die diese ganz besondere Verbindung zwischen dem Paar vor der Bühne gespürt haben. Etwas Transzendentes entwickelte die Musik auch auf der Bühne, obwohl der Sound trotz der teils brachialen Gitarreneffekte immer etwas Leises an sich hatte.

Wiederfinden von Stimme und Selbst

Nach dem ersten Hören von „White Roses, My God“ glaubt man: Ja, vielleicht ist Sparhawk das Wiederfinden von Stimme und Selbst auch gelungen. Hören sollte man das Album aber viel öfter, denn die Musik braucht Zeit, um sich zu entfalten, um zugänglich zu werden. „I Made this Beat“ heißt ein minimalistischer Elektroniksong, bei dem Sparhawk den titelgebenden Satz über 25-mal wiederholt. Und das wirkt, als wolle er sich vergewissern, dass er etwas geschaffen hat, dass er noch am Leben teilnimmt und existiert. Der Beat ist eine Art Mantra.

„Can you feel something here?“, fragt Sparhawk dann auch in „Feel Something“ und richtet diese Frage wahrscheinlich nicht an die Hörenden, sondern an sich selbst, bevor er im Verlauf und gegen Ende des Songs feststellt: „I think I feel something here.“ Das verwundert auch nicht: Die gemeinsamen Kinder von Sparhawk und Parker treten auf dem Album in Erscheinung. So erklingt zum Beispiel im Hintergrund von „Heaven“ die Stimme von Tochter Hollis und Sohn Cyrus spielt den Bass.

Trotzdem ist „White Roses, My God“ vor allem eins: ein Zwiegespräch von Sparhawk mit sich selbst. Aber wir können uns freuen, ihm lauschen zu dürfen. Es gibt da einen Song vom Musiker Jungstötter, der den Titel „Wound Wrapped in Song“ trägt. Eine Wunde, verpackt in einem Song. Und so könnte „White Roses, My God“ auch „Wound Wrapped in Album“ heißen.

Und weil der Tod von Mimi Parker und ihr Fehlen im künstlerischen Prozess so zentral ist, stellt sich zum Schluss nur noch die Frage, ob es sich hier nicht eigentlich eher um das 14. Album von Low und weniger um das zweite von Sparhawk handelt.

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