Deutsche Bahn: Schienenersatzverkehr ist teuer
Ausfallende Züge, Streckensperrung für die Generalsanierung – der Ersatz mit Bussen auf der Straße kostet die Deutsche Bahn Millionen.
Über den zuverlässigen Ablauf wacht Omeed Al-Saadi. Der Disponent arbeitet in der zentralen Leitstelle der Deutschen Bahn für den Schienenersatzverkehr (SEV) in Berlin. Hier koordinieren 30 Beschäftigte in drei Schichten rund um die Uhr den Ersatzverkehr im gesamten Bundesgebiet. „Streiks sind der größte Stress“, erläutert der gelernte Kraftfahrer. Auf seinem Tisch landet auch der Hilferuf eines Kunden, der seinen Laptop in einem Bus liegen ließ. Al-Saadi muss nun herausfinden, welchen Fahrer er danach suchen lassen kann.
Was eher als ärgerliche Randerscheinung der vielen Probleme bei der Bahn wahrgenommen wird, ist inzwischen zu einem eigenen Wachstumszweig geworden. Auf den Bahnstrecken gibt es täglich rund 1.000 Baustellen. Oft muss dafür kurzfristig ein Ersatzverkehr mit Bussen organisiert werden.
„Die müssen in der Regel innerhalb einer Stunde vor Ort sein“, sagt Frank Nostitz, Chef der Bahn-Tochter DB SEV. Geht irgendwo etwas schief, telefonieren die Disponenten passende Busunternehmen in der Umgebung ab und schicken sie zum Einsatzort. Mit 3.500 Busunternehmen arbeitet die Bahn dabei zusammen. Auch private Bahnen nehmen diesen Dienst der DB gern in Anspruch.
Bis 2030 sollen 40 Korridore zeitweilig gesperrt werden
Der schlechte Zustand der Schieneninfrastruktur hat für einen Boom der Busbranche gesorgt. Seit 2019 hat sich der Umfang der Ersatzverkehre auf rund 2.300 Fahrten am Tag verdoppelt. Busse sind knapp, Fahrer gesucht. „Wir rekrutieren weiter im Ausland, weil wir die Bedarfe im Inland nicht decken können“, berichtet Nostitz. Von den 400 Fahrern im Busverkehr der Riedbahn kommen 60 aus Spanien und 40 aus Polen.
Während Al-Saadi den Bus mit dem verlorenen Laptop sucht, klappern seine Kollegen Busunternehmen für Blitzeinsätze ab. Die sind besonders herausfordernd. Die Leitstelle musste im vergangenen Jahr 12.500 kurzfristige Busnotverkehre auf die Beine stellen. Dann haben die Disponenten viel zu tun.
Bis 2030 sollen 40 Korridore zeitweilig für eine Generalsanierung komplett gesperrt werden. Die Busse sind für die Bahn ein kostspieliger Ersatz. Denn ein solcher Zuwachs bei SEV ist in den Verkehrsverträgen mit den Ländern nicht vorgesehen. Bei Buspreisen zwischen 3 und 12 Euro pro Kilometer kommen insgesamt beträchtliche Beträge zusammen. 24 Millionen Kilometer fuhren die Ersatzbusse allein im vergangenen Jahr. Immerhin gibt es für die Generalsanierungen eine Vereinbarung von Bund und Ländern zur Übernahme der Kosten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen