Meloni taktiert gegen „Genderideologie“

Aus Rom Michael Braun

Als die Postfaschistin Giorgia Meloni im Oktober 2022 Italiens Ministerpräsidentin wurde, wiegelte sie erst einmal ab: Angriffe auf Bürgerrechte seien von ihr nicht zu erwarten, erklärte sie in ihrer Antrittsrede vor dem Parlament. Nie werde sie „die existierenden Freiheiten der Bürger einschränken“, und dazu gehöre auch das Recht auf Abtreibung.

Die Stellungnahme durfte als einigermaßen überraschend gelten. Hatte Meloni nicht immer für „Gott, Vaterland, Familie“ gestritten? Hatte sie sich nicht zu einem konservativen Katholizismus bekannt? Hatte sie sich nicht ihrer Freundschaft mit Viktor Orbán gerühmt?

In der Tat blieben frontale Attacken auf das Abtreibungsrecht oder auf die Rechte homosexueller Paare aus, obwohl Melonis Familienministerin Eugenia ­Roccella unumwunden sagte, „leider“ erlaube das italienische Gesetz Schwangerschaftsunterbrechungen. Melonis Koalition setzt auf Nadelstiche statt auf Frontalangriff. So verabschiedete sie ein Gesetz, wonach die Re­gio­nen den Ak­ti­vis­t*in­nen der Organisation Pro Life den Zugang zu Schwangerschaftsberatungsstellen einräumen dürfen. Dort können die Ab­trei­bungs­geg­ne­r*in­nen dann den Frauen ihre Propaganda ausbreiten oder ihnen gar die Herztöne ungeborener Kinder vorspielen.

Des Weiteren untersagte das Innenministerium den Kommunen, in Ausland geborene Kinder homosexueller Paare standesamtlich als Kinder beider Elternteile zu registrieren, auch wenn das im Ausland bereits so vorgenommen worden war.

Und schließlich treibt die Rechtskoalition im Parlament ein Gesetz voran, das die – in Italien bereits verbotene – Leihmutterschaft zum „Universalverbrechen“ erklären soll, womit auch jene Paare strafrechtlich verfolgt werden könnten, die ihr Kind von einer Leihmutter im Ausland hatten gebären lassen.

Richtig ungemütlich wird die regierende Rechte, wenn es um Genderdiskurse und vor allem um trans Per­so­nen geht. Im September verabschiedete der Ausschuss für Kultur des Abgeordnetenhauses mit der Mehrheit der Regierungsparteien eine Entschließung, welche die Regierung auffordert, im Schulunterricht die Propagierung „von Verhaltensweisen zu verhindern, die auf der Genderideologie gründen“. Dem Abgeordnetenhaus liegt zudem ein Gesetzentwurf vor, der an den Schulen jene Theo­rien verbieten will, welche „die Unabhängigkeit, die Veränderbarkeit oder Umkehrbarkeit der Genderidentität gegenüber den sexuellen Charakteristika“ einer Person behaupten.

Dass die Universität Roma Tre mit staatlichen Fördergeldern eine Beratungsstelle betreibt, an die sich auch trans Kin­der wenden können, rief wiederum die Universitätsministerin auf den Plan. Sie wittert Missbrauch von Fördergeldern und hat staatliche Prüfer losgeschickt.

Auch ein Krankenhaus in Florenz wurde vom Gesundheitsministerium „inspiziert“, weil dort Heranwachsenden mit dem Wunsch nach Geschlechtsumwandlung Pubertätsblocker verabreicht worden waren. Den Ton für solche Maßnahmen gibt Meloni selbst vor – mit ihren regelmäßigen Ausfällen gegen die „Genderideologie“.

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