Die seelenlose Abrissstadt Hamburg

Der Drehort von Fatih Akins Film „Soul Kitchen“ in Hamburg hat keine Zukunft mehr. Initiative kritisiert, dass der Senat die Offkultur im Stadtteil Wilhelmsburg ausbremst

Die Soul-Kitchen-Halle hinter einem Bauzaun mit Verbotsschildern und einem Herzen aus Flatterband

Betreten verboten: Nicht nur die Halle, sondern das komplette Gelände ist schon seit Jahren gesperrt Foto: Sven Kräuter/Wikimedia Commons

Von Gernot Knödler

Die Halle, in der Fatih Akins Komödie Soul Kitchen gedreht wurde, soll abgerissen werden. Wie aus einer Mitteilung des rot-grünen Senats an die Hamburgische Bürgerschaft hervorgeht, ist die seit Anfang 2013 geschlossene Halle einsturzgefährdet. Dass der Senat nicht nur die Halle, sondern das komplette Grundstück einer kulturellen Nutzung verweigere und ansässige Betriebe vertreiben wolle, sei im Viertel mit Fassungslosigkeit und Wut zur Kenntnis genommen worden, schreibt die Initiative Kulturkanal aus dem Stadtteil Wilhelmsburg.

Das Areal, auf dem die Halle steht, grenzt an einen Offkultur-Schwerpunkt. Nördlich davon liegt das traditionsreiche Stadtteilkulturzentrum Honigfabrik, auf der gegenüberliegenden Seite des angrenzenden Veringkanals das erst gut zehn Jahre alte Kreativzentrum Zinnwerke. Dazu kommen kleine Gastronomiebetriebe und Ateliers.

Der Senat will den zum Teil schon recht malerischen Kanal mit einer Grünverbindung am Ufer, Schilfzonen und schwimmenden Inseln aufwerten. Er „begrüßt“ die Entwicklung der Zinnwerke zu einem Kreativquartier, lässt aber offen, wie die ehemalige Fabrik saniert werden soll. Weitere Grundstücke am Kanal will die städtische Immobilienfirma Sprinkenhof jedoch räumen, einschließlich des Soul-Kitchen-Grundstücks.

Die Initiative Kulturkanal kritisiert, dass die Soul-Kitchen-Halle noch hätte gerettet werden können, als sie „2013 mitten in einem funktionierenden Kulturbetrieb geschlossen wurde“. Doch der Senat habe sich für „eine andere Variante entschieden: so lange absperren, verfallen lassen und Initiativen ignorieren, bis man sagen kann: muss abgerissen werden“.

Norbert Hackbusch, Bürgerschaftsabgeordneter der Linken, ätzt: „Und wieder fügt der Senat dem Buch ‚Abrissstadt Hamburg’ein Kapitel hinzu.“ Gegenüber vielen Kulturaktivisten sei das ein Affront und für die Kulturpolitik ein Armutszeugnis.

Der Senat konzediert der Halle zwar einen „symbolischen Stellenwert“ durch den Film, weshalb der Umgang damit „sensibel gehandhabt“ worden sei. Einem Gutachten vom Juli 2022 zufolge sei jedoch das Dach zum Teil eingestürzt – was auch zu sehen ist – das Eisenfachwerk sei zum Teil komplett durchgerostet und das Tragwerk nur noch zu 25 bis 30 Prozent belastbar. Für die planmäßig vorgesehene Nutzung des Grundstücks als Industriefläche sei sie ein Hindernis.

Im Rahmen des „sensiblen Umgangs“ hatte der Senat sogar einst erwogen, die Halle zu versetzen, was aber 1,6 Millionen Euro gekostet hätte. Die Idee, einen Teil des Fachwerks aus- und in einen Neubau einzubauen, sei mangels eines geeigneten Projekts nicht weiterverfolgt worden. Zudem sei die Uferbefestigung des Kanals stark beschädigt, im Untergrund lägen möglicherweise Weltkriegsbomben und die Erde sei mit Schwermetallen und Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) vergiftet.

Die Stadt hatte sich einen „sensiblen Umgang“ vorgenommen. Das Ergebnis: Abriss

Die Initiative Kulturkanal begrüßt, dass der Senat die Zinnwerke als kulturellen Ort benennt. „Aber den vielfältigen kulturellen Beat, der hier in Wilhelmsburg pocht, aus der Ferne in diesen einen Raum zu denken, wird nicht funktionieren“, warnt die Initiative. Bis zur Einzäunung 2022 habe der Kulturkanal die Fläche regelmäßig inoffiziell – aber geduldet – für Veranstaltungen genutzt. So etwas weiter zu erlauben, sei allein eine Frage des politischen Willens.

Der Senat will die Fläche „einer plangerechten Vermarktung als Industriegrundstück“ zuführen, wobei er selbst auf die erwartbar teure Sanierung des Grundstücks hinweist. Die Initiative Kulturkanal fordert, den Zaun zu öffnen und notfalls einzelne Gefahrstellen abzusperren. Um der Forderung nach mehr Raum für Kultur, Kreativität und Leben im dicht besiedelten Quartier Nachdruck zu verleihen, soll es am Freitag eine Kundgebung geben.