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Nach der Wahl in ÖsterreichKopieren ist nicht ratsam

Saskia Hödl
Kommentar von Saskia Hödl

Österreich rückt mit den Nationalratswahlen nach rechts. Deutschland droht bei der Bundestagswahl im Herbst 2025 ein ähnliches Schicksal.

Demos gegen die FPÖ am 3. Oktober nach der österreichischen Nationalratswahl Foto: Roland Schlager/APA/dpa

M an sagt, in Österreich passiert alles zehn Jahre später. Wenn es um den Machtgewinn der Rechten geht, ist Österreich Deutschland allerdings ein paar Jahre voraus. Es empfiehlt sich also, in Deutschland aus den österreichischen Fehlern zu lernen, solange es noch geht.

In Österreich hat die Nationalratswahl Ende September alles andere als Klarheit gebracht. Die rechtspopulistische Freiheitliche Partei (FPÖ) ist mit 28,8 Prozent zwar Wahlgewinnerin, nur will mit ihr bislang niemand regieren. Lediglich die zweitplatzierte Volkspartei (ÖVP, 26,3 Prozent) würde mit ihr koalieren, allerdings unter der Bedingung, dass FPÖ-Chef Herbert Kickl nicht Teil der Regierung wird. Allerdings gibt es keine Anzeichen dafür, dass die FPÖ das auch nur in Erwägung zieht. Die ÖVP könnte stattdessen mit den So­zi­al­de­mo­kra­t*in­nen (SPÖ, 21,1 Prozent) koalieren, nur wäre deren Mehrheit mit 92 von 183 Mandaten so knapp, dass ein einziger verschnupfter Abgeordneter reicht, um sie zu verfehlen.

Es muss also eine dritte Koalitionspartnerin her. Dafür stünden die liberalen Neos (9,1 Prozent) oder die Grünen (8,2 Prozent) parat. Doch das ist nur auf den ersten Blick eine praktikable Lösung. Denn ÖVP und Grüne gehen nicht gerade freundschaftlich aus der Noch-Regierung heraus, zuletzt zeigte die ÖVP den Koalitionspartner sogar an, nachdem die grüne Umweltministerin ­Leonore Gewessler dem EU-Renaturierungsgesetz gegen den Willen der ÖVP zugestimmt hatte. Inhaltlich wären sich ÖVP und die liberalen Neos ohnehin näher.

Die SPÖ hingegen, die mit dem historisch schlechtesten Bundeswahlergebnis bereits am Boden liegt, könnte durch eine solche Koalition weiter verlieren. Denn die SPÖ wollte sich – bevor sie unter anderem über parteiinterne Querelen gestolpert war – unter Parteichef Andreas Babler ausgerechnet mit Themen profilieren, bei denen mit ÖVP und Neos eher kein Staat zu machen ist: Vermögenssteuer, Mietpreisstopp, Vier-Tage-Woche. Es entsteht eine politische Pattsituation, in der es vorrangig nicht um politische Inhalte geht, sondern um die Verhinderung der FPÖ als Regierungspartei, die kein Geheimnis daraus macht, Säulen der Demokratie – Rechtsstaatlichkeit, wissenschaftliche Evidenz oder die Menschenrechte – nicht achten zu wollen.

Kurz hat die Rechten kopiert

Wie konnte es überhaupt so weit kommen? Zuerst muss man verstehen, dass dieses Wahlergebnis weder eine Überraschung noch ein Rechtsruck ist. Den Rechtsruck gab es in Österreich schon 2017, als Sebastian Kurz die schwarz-konservative ÖVP, die sich für österreichische Verhältnisse als eine Partei der Mitte verstand, zu einer türkisen Partei machte, die deutlich rechts der Mitte stand. Seither ist die Volkspartei in vielen Punkten kaum noch von der FPÖ zu unterscheiden. Was wir heute sehen, sind lediglich Nachwirkungen.

Sebastian Kurz wurde einst als Wunderkind gefeiert, dabei hatte er etwas denkbar Einfallsloses gemacht: die Rechten kopiert. Das führte seine „neue ÖVP“ zwar wieder über die 30-Prozent-Marke, doch die Konsequenzen trägt seitdem das politische Klima im Land: Die ÖVP-Wähler*innen wissen offenbar nicht mehr, wieso sie die Partei noch wählen sollten. Das Kopieren der Rechten scheint langfristig ein Bumerang zu sein. Laut Wahlmotivanalyse war es nicht der FPÖ-Chef Kickl, der die Wäh­le­r*in­nen überzeugte, sondern die Inhalte der Partei, also Rassismus, Anti-LGBTIQ, EU-Skepsis und Verschwörungstheorien. Es stimmt zudem nicht mehr, dass vor allem alte Männer die FPÖ wählen. Mittlerweile sind etwa genauso viele Frauen unter den Zustimmenden.

Mitschuld an diesem Wahlergebnis ist die bröckelnde Medienlandschaft. Einige wenige Medienhäuser stehen unter dem begründetem Verdacht der politischen Einflussnahme. Gleichzeitig sind alle auf Klicks angewiesen, sodass jedes Lüftchen, das einem rechten Politiker entweicht, sofort hochgejazzt wird. Die Rechten treiben den Diskurs vor sich her, es folgen Leitartikel über Wokeness und Gendersternchen. Seit der Coronapandemie ist die FPÖ auf Social Media und Telegram so gut vernetzt, dass man sich autonom der Angstmacherei widmen kann. Politisch gab es in Österreich schon immer ein starkes Stadt-Land-Gefälle. Heute ist es auch ein Informationsgefälle.

Noch nie einen Geflüchteten aus der Nähe gesehen

So wird in kleinen Gemeinden FPÖ gewählt, weil man überzeugt ist, Migration wäre für ein 83-Seelen-Dorf, in dem gerade der letzte Bäcker schließt, eine existenzielle Bedrohung und in Wien würde es zugehen wie in der Bronx in den 1980er Jahren. Eine geflüchtete Person haben die meisten dabei noch nie aus der Nähe gesehen. Das sind Erzählungen, gegen die man heute nicht mehr so schnell ankommt. Vielleicht muss man das auch gar nicht. Es gibt genug andere Themen, die Wäh­le­r*in­nen stärker belasten als die letzte Schlagzeile von einer Messerstecherei in Wien: der fehlende Bäcker, höhere Lebensmittelpreise, Mieten, fehlende Kinderbetreuung. Sozial- und Wirtschaftspolitik sind meist keine Stärken von Rechtsaußen, eine Koalition aus drei Parteien der sogenannten Mitte sollte das aber hinkriegen. Darüber hinaus wäre es einen Versuch wert, sich als Ko­ali­ti­ons­part­ne­r*in­nen fair zu behandeln.

In Österreich stellt sich nun die Frage, ob man die FPÖ nicht wieder regieren lassen müsste. Ob ein „Augen zu und durch“ nicht angebracht wäre. Nur leiden erstens immer die Schwächsten unter rechter Politik, alle anderen haben leicht reden. Und zweitens wartet man hier schon seit 2017 vergeblich darauf, dass sich die Rechten „entzaubern“. Wenn nicht mal die Ibiza-Affäre, die im Mai 2019 zum Bruch der Regierungskoalition aus ÖVP und FPÖ geführt hatte, das schaffte, kann man diese Strategie wohl getrost als gescheitert betrachten.

In Österreich ist es zu spät. Deutschland könnte die Kurve noch kriegen, sofern das Land es versteht, dass die AfD nicht von allein weggehen wird, egal wie sehr man sie imitiert. Ob das gelingt, wird maßgeblich daran liegen, ob die Union die Mitte wiederfindet.

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Saskia Hödl
Autorin
Jahrgang 1985, ist freie Autorin in Wien und schreibt über Politik, Medien und Gesellschaft. Ehemalige taz panter Volontärin, taz eins Redakteurin und taz2&Medien Ressortleiterin.
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12 Kommentare

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  • Anstatt immer über den Rechtsruck zu jammern, sollte die taz mal ehrlich recherchieren, warum die Leute nach rechts driften. Sind sie alle Nazis geworden? Sind böse Geister, Chemtrails oder Erdstrahlen am Werk?

    Mein Erklärungsvorschlag: Linke Politik hat es zu weit getrieben. Aus Frauenrechten wurde Männerbashing, aus Asyl wurde Migration in die Sozialsysteme, aus Antirassismus wurde Westverteufelung, aus Energiesparen wurde Wohnungsmissgunst, aus der Verkehrswende wurde Autohass und aus Sichtbarkeit wurde Gendersprache.

    Die Union war dagegen kein Schutzschild. Es war nicht mehr möglich, den Trend zu immer mehr Selbstverleugnung und Minderheiten abzuwählen. So enstanden neue Parteien.

    • @Gorres:

      Was für ein Quark. Männerbashing? Wo soll es das geben? Nach wie vor sitzen die Männer an den Schalthebeln der Macht, sind Frauen nach wie vor benachteiligt. Migration in die Sozialsysteme? Ebenso weitgehender Unfug, es gibt Flüchtlinge, diese lässt man aus gutem Grund nicht verhungern und obdachlos werden. Niemand flieht aus Syrien, um in Deutschland vom Asylbewerberleistungsgesetz zu leben. Was Antirassismus und Westverteufelung miteinander zu tun haben bleibt ihr Geheimnis, ebenso Energiesparen und Wohnungsmissgunst. Autohass hat nun wirklich trotz guter Gründe hierfür kaum jemand, die Leute stehen lieber stundenlang im Stau als zehn Minuten zu spät mit der Bahn zu kommen.



      Weniger Genöhle aus der AfD-Blase täte Not bei Ihnen, wie mir scheint. Auch mal die grauen Zellen anschmeissen...

  • Richtige Analyse, nur zeigt das Auftreten von Söder und Merz, dass die Lernkurve der Konservativen, auch in Deutschland, extrem flach ist. Immer noch, wie in den 90ern, versucht man die Rechtsextremen durch Kopie überflüssig zu machen. Das funktioniert aber dann nicht, wenn oben kein junger Strahlemann steht, sondern der Fritze und das menschliche Osterei, die Teil des Establishments sind, egal was sie schreien. Wer es eklig und anti mag der wählt dann doch lieber die Kickls und Weidels, die Trumps und all die anderen aus der Geisterbahn.

    • @Bambus05:

      FJ Strauß wurde wegen seiner rechten Positionen immer wieder angefeindet, aber er hat es geschafft, rechts von der Union die Flanke sauber zu halten und kein nachhaltiges braunes Gewächs entstehen zu lassen.

      Die von Linken und Grünen so bejubelte Angela Merkel hat das vergessen, ihre Lernkurve war also negativ. Sie meinte, in der Mitte wildern zu müssen, verschob die Union nach links, schadete vor allem der SPD und überließ den Rechten jede Menge Terrain.

      Und heute haben Sie 15% SPD und 25% AfD.

      Dann doch lieber FJ Strauß.

      • @Gorres:

        Die gesamte Union war rechter als heute, es gab auch Leute wie Dregger, Kanther und wie sie alle hießen. Die Linke hat zwar Merkel nicht bejubelt, trotzdem stimmt es schon, eine gewisse Sozialdemokratiisierung hat es in der Union zu ihrer Zeit gegeben. Ein rechter Ableger der CDU mag ja sinnvoll sein, um dieses Klientel abzuholen die AfD ist jedoch nicht mehr rechtskonservativ sondern rechtsextrem.

    • @Bambus05:

      Unbenommen können sie das so finden.

      Die Umfragezahlen der CDU sind zwar doppelt so hoch wie die der SPD (von den Grünen ganz zu schweigen, aber hey: was sind schon Fakten.

      • @GregTheCrack:

        Also finden Sie nicht das die Stärke der AfD die Schwäche der Union ist? Wie ich mich meine zu erinnern hat Merz die Halbierung der AfD versprochen, ginbg knapp daneben.

  • Das Grundproblem in Deutschland wie in Österreich:



    Die Anständigen und die Fleißigen haben Abstiegsängste. Diese entstehen, weil der Eindruck entsteht, dass mann/frau "dass alles" bezahlen muss und einem am Ende nichts bleibt.



    Jede Partei, die nicht in irgendeiner Nische bleiben will, muss die sorgen der Anständigen und der Fleißigen ernst nehmen. Und deren Sorgen beseitigt die Politik nicht mit besserem Wording.

    • @Colonius:

      Die Anständigen und Fleißigen, wer soll das sein? Ist man anständig, wenn man die AfD wählt?

      • @Bambus05:

        Fragen Sie Lars Klingbeil:



        "Geht es nach Klingbeil, wird sie um die arbeitende Mitte kreisen, „die Anständigen und die Fleißigen“."



        Zitiert aus taz.de/Die-Zukunft-der-SPD/!6039638/

        • @Colonius:

          Puh, eine sehr altbackene Formulierung, wird auch nicht besser, wenn sie der weise Herr Klingbeil benutzt.

  • FDP, Grüne und die SPD werden Stimmen verlieren. Hoffentlich gehen diese nicht an die blauen Nazis oder an die rote Personenkultpartei. Wahrscheinlich läuft es wieder auf eine große Koalition hinaus - was bestimmt nicht das schlechteste für Deutschland wäre.