Klimapolitik in den USA: Ohne Klima ist es Märchenpolitik

Zwei verheerende Hurrikans drängen die Klimapolitik in den US-Wahlkampf. Die immer stärkeren Auswirkungen des Klimawandels lassen es nicht anders zu.

Illustration einer Karte mit Freiheitsstatue.

Illustration: Eléonore Roedel

Ein Abend in New York City vor zwei Wochen, es ist Climate Week, noch ist Helene ein Schlagerstar und keine Jahrhundertkatastrophe. Der Ozeanforscher Stefan Rahmstorf hält mir über den Tisch eines Thai-Imbiss hinweg sein Handy hin, und sagt nur „Jetzt ist er Kategorie 4. Krass.“

Sowohl der Rechtsextreme als auch die demokratische Präsidentschaftskandidatin hatten vor, das Klima aus ihren Kampagnen herauszuhalten. Über die Strategie dahinter hatte ich zuletzt noch eine verständnisvolle Kolumne geschrieben. Doch ausgerechnet in einer Region, die sich selbst als sicher vor Hurrikanen gewähnt hat, demonstrieren Verwüstungen ungekannten Ausmaßes nun seit zwei Wochen, wie arrogant, aber vor allem wortwörtlich weltfremd das No-Klima-Kalkül der Wahlkämpfer war.

In den letzten Wochen wurden im Südwesten der USA Millionen Menschen von der Stromversorgung abgekappt, zwei Ausnahmestürme haben Milliardenschäden verursacht, durch Hurrikan „Milton“ sind wieder Menschen gestorben.

Berechnungen zufolge hat „Helene“ durch die aufgeheizte Atmosphäre bis zu 50 Prozent mehr Regen gebracht. Warme Luft kann mehr Wasser aufnehmen und Niederschläge produzieren, die ohne Klimakrise physikalisch unmöglich wären. Das ist die Mathematik, die zunehmend das 21. Jahrhundert definiert.

Begriffe wie „Jahrhundertflut“ hingegen verkommen zu Worthülsen. Wir haben die Geografie des Planeten so stark verändert, dass sich Jahrhunderte längst nicht mehr miteinander vergleichen lassen. Keine der Wahlkampagnen ist auf Klimainhalte vorbereitet, auf Social Media sieht man in den ersten Tagen Trump, der auf einer Rally zu den Betroffenen sagt „you will be fine“, und eine kurzatmige Harris, die zwischen Tweets über Grenzkontrolle hinweg von Katastrophenhilfe redet.

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Zwei Tage später läuft die Debatte der Vizekandidaten, ich gucke sie bei einer Deutschlehrerin, die in einem Vorort von Washington lebt. Vor dem TV-Studio hatten sich mehrere Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen von der Sunrise-Bewegung festnehmen lassen, um für eine Debattenfrage zum Klima zu protestieren. Mit Erfolg. Auch die bestfinanzierten Wahlkämpfe der Geschichte können so für einen Moment aus dem klimalosen Paralleluniversum herausgezogen werden.

Bemerkenswert sind weniger die Antworten der Kandidaten – J.D. Vance leugnet wie erwartet die Klimakrise und Tim Walz stutzt die Extremlage fachmännisch auf ein „Look, wir haben ein Problem, lets get to work“ zusammen. Nein, bemerkenswert ist etwas anderes: Die Wette gegen den Planeten, das politische Verhandeln der Welt ohne Welt, der Versuch, eine Politik von Sicherheit und Freiheit zu bewerben, ohne den wohl größten Feind von beidem zu benennen – die Klimakrise – all das wird gerade zu einem politischen Harakiri-Unterfangen.

Die Trump-Kampagne hat im Auge von „Helene“ eine massive Desinformationskampagne gestartet und wirft Harris vor, Betroffenen Gelder vorzuenthalten. Auf Harris wiederum wächst der Druck, immer mehr Unterstützung zuzusagen, ohne ehrlich erklären zu können, mit welcher Strategie die Klimakrise langfristig bekämpft werden soll. Denn über den Auslöser dieser immer extremeren Extreme – die fossilen Energien – will niemand reden. Weltpolitik ohne Klimapolitik wird im Jahr 2024 erkennbar zur Märchenpolitik.

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