Ukrainischer Präsident auf Werbetour: Selenskyj macht es wieder selbst

Hurrikan „Milton“ lässt den Ramstein-Gipfel platzen und verhindert Bidens Besuch in Deutschland. Nun klappert Selenskyj die Alliierten in Europa ab.

Selenskyj und Starmer sitzen an einem Tisch

Selenskyj und der britische Premier Keir Starmer treffen sich in der Downing Street Foto: Henry Nicholls/dpa

Berlin taz | Nach der Absage der Ramstein-Konferenz mit etlichen Staats- und Regierungschefs an diesem Samstag nimmt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die politische Agenda selbst in die Hand. Und zwar mit einem von ihm bewährten Mittel: einer Werbetour durch Europa für mehr Waffen, Wirtschaftshilfe und Solidaritätsbekundungen für sein Land im Krieg gegen die russische Invasion.

Selenskyj läuft die Zeit davon. Am 5. November wird ein neuer US-Präsident gewählt. Kommt Demokratin Kamala Harris an die Macht, dürfte sich bei der Ukraine-Unterstützung nicht viel ändern. Bei einem US-Präsidenten Donald Trump ist die Lage mehr als ungewiss. Hat Trump doch den angeblichen „Superplan“ für einen schnellen Frieden zwischen Russland und der Ukraine. Ob dies einer „gerechten“ Vereinbarung entspricht, ist zweifelhaft.

Das Treffen in Ramstein sollte einen starken Symbolcharakter haben – und ein Signal an den russischen Präsidenten Wladimir Putin sein, dass die westlichen Verbündeten unverrückbar an der Seite der Ukraine stehen. Nun wird das Treffen verschoben – auf unbestimmte Zeit, weil Hurrikan „Milton“ die volle Aufmerksamkeit von Noch-US-Präsident Joe Biden fordert.

Selenskyj reiste am Donnerstag nach London und traf sich dort mit dem britischen Premier Keir Starmer. Nach Deutschland und Frankreich unterzeichnete Großbritannien als eines der ersten Länder eine Sicherheitsvereinbarung mit der Ukraine. Rund 20 solcher Abkommen gibt es bereits – neben anhaltender Waffenhilfe ist dort auch aufgeführt, den Aufnahmeprozess der Ukraine in die Nato voranzutreiben oder mindestens weiter anzugehen. In London dürfte es zudem um den Einsatz weitreichender Waffensysteme auf russischem Territorium ­gehen.

London, Paris, Rom – dann nach Berlin

Auch in den USA warb Selenskyj darum – erhielt aber bisher eine Absage. Zu groß ist offenbar die Sorge um eine weitere Eskalation – und eine weitere Verschiebung „roter Linien“.

Der ukrainische Präsident will zudem seinen „Siegesplan“ präsentieren. US-Präsident Biden kennt ihn schon. Nun braucht Selenskyj Unterstützer. Viel ist bisher nicht zu dem Plan bekannt. Nur so viel, dass Gebietsabtretungen mit der Ukrai­ne nicht zu machen sind – und es nur zu Verhandlungen mit Putin kommen kann, wenn die Ukraine auf Augenhöhe agiert.

Das bedeutet schlicht mehr Waffen und militärische Stärke. Auch der neue Nato-Generalsekretär Mark Rutte weilte am Donnerstag in London und traf Selenskyj und Starmer. Rutte war als eine seiner ersten Amtshandlungen nach Kyjiw gereist, um die Priorität der Ukraine-Hilfen zu zeigen.

Neben London legt Selenskyj einen Stopp in Paris ein, um den französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu treffen. Dann geht es weiter nach Rom, Ministerpräsidentin Giorgia Meloni gilt als enge Verbündete Selenskyjs. Ein Treffen mit Papst Franziskus am Freitag ist wohl eher als moralische Zusage zu betrachten und Melonis Zuneigung geschuldet.

Friedensfragen dürften Franziskus und Selenskyj – wenn überhaupt – kontrovers diskutieren. Highlight der Werbetour wird am Freitag ein Besuch im Kanzleramt. Deutschland ist nach den USA der zweitgrößte Waffengeber. Wackelt die Unterstützung aus den USA, werden die Europäer stärker gefordert sein. Kanzler Olaf Scholz allen voran.

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