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Neue Regierung in FrankreichEine Koalition von Verlierern

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Macron gibt die Macht an eine Minderheit. Wenn sich Linke und Rechtsnationale in der Opposition zusammentun, hat Barniers Koalition keine Chance.

Auf Frankreichs umstrittenen Ministerpräsidenten Michel Barnier kommen unruhige Zeiten zu Foto: Stephane de Sakutin/dpa

E ine Minderheitsregierung folgt auf eine Minderheitsregierung in Frankreich. Und man muss sich fragen, wie Premierminister Michel Barnier sich auf die Dauer halten kann. Die Mitte-Rechts-Koalition aus Macronisten und Konservativen, die er im Auftrag von Präsident Emmanuel Macron gebildet hat, ist weder mehrheits- noch regierungsfähig. Das neue Regierungslager verfügt noch über weniger Sitze in der Nationalversammlung als vorher das Kabinett von Gabriel Attal.

Wenig überraschend geben ihm weder die Linke noch die extreme Rechte eine große Zukunft. Macron hatte schon 2022 die absolute Mehrheit verloren, und nach einer Schlappe bei den Europawahlen setze er alles auf eine Karte: vorzeitige Parlamentswahlen. Die für ihn erneut mit einer Niederlage ausgingen. Und der Preis für eine Koalition mit den Konservativen ist gestiegen.

2022 hätten wahrscheinlich ein paar Ministerposten ausgereicht, jetzt musste er mit Michel Barnier einen Konservativen als Regierungschef und mehrere seiner reaktionärsten Parteikollegen als wichtige Minister akzeptieren. Die Schmach für Macron ist umso deutlicher, als er sich zuvor eine breite Koalition von Sozialisten bis hin zu den Konservativen gewünscht hatte. So hoffte er, aus der Klemme mit der unmöglichen Mehrheitsfindung zu entrinnen.

Das diese „nationale Einheit“ für die Linke – aber nicht nur für diese – kein Thema ist, hat sich Macron selbst zuzuschreiben. Nicht nur glitt seine Politik laufend nach rechts, er hat auch ständig die Linke als Hauptgegner attackiert und beleidigt. Er konnte kein Entgegenkommen erwarten. Auch wenn die Allianz mit den Konservativen politisch für ihn Sinn macht, bleibt es für viele in Frankreich unverständlich oder schockierend, dass er nun einer Partei die Macht übergibt, die seit Jahren bei den Wahlen ständig zu den Verlierern zählt.

Proteste absehbar

Von einer Regierungspartei ist Les Républicains (LR – ehemals der UMP von Nicolas Sarkozy) zu einer der kleinen Fraktionen in der Nationalversammlung geworden. Ein Teil ist mit LR-Chef Eric Ciotti zu den Rechtsextremen übergelaufen. Barnier und die Rest-LR profitieren von Macrons Schwäche. Die neue Regierung kann nun jederzeit im Fall einer unheiligen Allianz der linken und rechtsnationalen Opposition anlässlich einer Vertrauensabstimmung gestürzt werden.

Sie wird darum alle ihr zur Verfügung stehenden Verfassungsartikel einsetzen, um das Parlament zu umgehen. Der unzufriedenen Mehrheit im Land bleibt nach diesen Manövern der Staatsmacht nur der Protest auf der Straße. Die absehbaren Konflikte um die angekündigte Sparpolitik gehören auch zum Preis, den Macron für das Zustandekommen einer Notlösung mit der Mitte-Rechts-Koalition bezahlt.

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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2 Kommentare

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  • "Wenn sich Linke und Rechtsnationale in der Opposition zusammentun" Bei aller Verachtung für Macron, warum sollte irgendwer sich mit Le Pen zusammentun?

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