Rechter Terror in Eisenach: Neonazis werden angeknockt

Die Bundesanwaltschaft klagt drei Neonazis an. Sie sind Teil der Kampfsportgruppe „Knockout 51“, die einen Nazi-Kiez errichten und Linke töten wollte.

Polizisten stehen vor der Gaststätte «Bull's Eye». An einem Pfahl ist ein Aufkleber mit der Aufschrift «Nazi Kiez» zu sehen.

Aktuelle Anklage der Bundesanwaltschaft: Polizisten stehen vor der Gaststätte „Bull's Eye“ in Eisenach im April 2024 Foto: Martin Wichmann TV/picture alliance

BERLIN taz | Die Führungsriege der militanten rechtsextremen Kampfsportgruppe „Knockout 51“ ist im Juli recht glimpflich davon gekommen, nun hat der Generalbundesanwalt Anklage gegen die zweite Reihe erhoben: Im Fokus stehen die drei Thüringer Neonazis Kevin N., Marvin W. sowie Patrick Wischke, der Landeschef der in Heimat umbenannten NPD.

N. und W. wirft sie die Mitgliedschaft beziehungsweise Gründung einer kriminellen und terroristischen Vereinigung vor. Kevin N. soll dabei auch Rädelsführer gewesen sein. Dem Heimat-Funktionär Wischke hält die Bundesanwaltschaft die Unterstützung der Gruppe sowie ein Verstoß gegen das Waffengesetz vor. Die Anklageerhebung erfolgte vor dem Staatsschutzsenat des Thüringer Oberlandesgerichts, wie aus einer Mitteilung der Bundesanwaltschaft vom Donnerstag hervorgeht.

Die Gruppe hatte in Eisenach jahrelang rechten Terror organisiert. Anführer ist Leon Ringl, der dort die Szenekneipe „Bulls Eye“ betreibt. 20 Mitglieder soll die Gruppe gehabt haben. Kampfsporttraining gab es in der Parteizentrale der in Heimat umbenannten NPD Thüringen, dem „Flieder Volkshaus“. Die Rechtsextremisten wollten einen „Nazi-Kiez“ errichten, verprügelten immer wieder Menschen, die nicht in ihr Weltbild passten, versuchten auch Waffen zu organisieren und machten Schießtrainings im Ausland – dabei sollen sich auch die Tötung politischer Gegner geplant haben.

Einer der nun angeklagten Mitglieder, Kevin N., habe ebenfalls zur Führungsriege gehört, heißt es vom Generalbundesanwalt. Er habe spätestens im März 2019 „Knockout 51“ mitgegründet. Aus Sicht der Sicherheitsbehörde wollte die Gruppe „unter dem Deckmantel des gemeinsamen körperlichen Trainings junge, nationalistisch gesinnte Männer“ anlocken und indoktrinieren. Mitglieder seien „für körperliche Auseinandersetzungen mit Polizeibeamten, Angehörigen der politisch linken Szene und sonstigen als bekämpfenswert erachteten Personen ausgebildet worden“. Ab April 2021 habe die Gruppe dann auch auf die „Tötung von Personen aus der linksextremen Szene“ abgezielt.

„Mit dem Auto in die Gegner fahren“

Kevin N. habe dabei unter anderem Mitglieder geschult, „Kiezstreifen“ geleitet und Veranstaltungen abgesichert. Er sei beteiligt gewesen, als die Mitglieder bei Corona-Protesten gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei oder politischen Geg­ne­r*in­nen gesucht hätten; ebenso, als die Gruppe im September 2021 geplant habe, einen Angriff von Linksextremen zu provozieren, um diesen „für einen tödlichen Gegenangriff“ zu nutzen. Ein Zusammenstoß sei allerdings trotz Provokationen ausgeblieben, heißt es vom Generalbundesanwalt.

Dem Thüringer Heimat-Chef Patrick Wischke wirft die Bundesanwaltschaft unter anderem vor, der Gruppe im „Flieder Volkshaus“ einen Raum als Waffenlager zur Verfügung gestellt zu haben. Ebenfalls soll er einen Computer zur Verfügung gestellt sowie für die Gruppe Umbauten an der Immobilie veranlasst haben. Zudem habe er an Treffen und Schulungsmaßnahmen mitgewirkt.

Marvin W. wiederum soll einfaches Mitglied gewesen sein, dass neben Kampfsport und Schießtrainings auch an „Kiezstreifen“ teilgenommen habe und sich an den Tötungsplanungen beteiligt hatte. „Seine Aufgabe sollte dabei sein, mit dem Auto in die Gegner zu fahren“, schreibt die Bundesanwaltschaft. Kevin N. und Marvin W. befinden sich seit 14. Dezember 2023 in Untersuchungshaft. Der Heimat-Funktionär Patrick Wischke wiederum wurde am 18. April diesen Jahres aus der U-Haft entlassen.

Die Bundesanwaltschaft stufte die Gruppe seit 2021 als terroristische Vereinigung ein. Verurteilt wurde die Führungsriege im ersten Prozess allerdings nur als kriminelle Vereinigung. Mord und Totschlag sei nicht das Ziel der Gruppe gewesen, sagte der Richter, die er dennoch als „Kampfgruppe nationalsozialistischer Prägung“ einschätzte. Tötungspläne gegen Linke wertete er jedoch nur als Notwehr. Die Folge war viel Jubel bei Rechtsextremen im Gerichtssaal und entsprechend milde Urteile mit Haftstrafen bis zu drei Jahren und zehn Monaten. Die Bundesanwaltschaft hatte doppelt so hohe Strafen verlangt.

Kri­ti­ke­r*in­nen sprachen von einem „Freifahrtschein für extreme Rechte“. An der Thüringer Justiz hatte es bereits Kritik wegen milder Urteil in anderen Neonazi-Prozessen nach schweren Gewalttaten in Ballstädt oder Fretterode gegeben.

Verbindungen zur Polizei

Gegen das Urteil aus dem Juli hat die Bundesanwaltschaft Revision eingelegt. Und auch die zweite Reihe will sie nun erneut als terroristische Vereinigung anklagen und bleibt also bei der Überzeugung, dass es sich bei „Knockout 51“ um rechten Terror handelt. Nun liegt es am Oberlandesgericht Thüringen, in welchem Umfang es die Anklage zulässt.

Die Linken-Abgeordnete und Sprecherin für Antifaschismus, Katharina König, sagte: „Eine Reihe tatsächlicher Anhaltspunkte verdeutlicht, dass es sich nicht nur um eine kriminelle, sondern um eine terroristische Vereinigung handelt, gegen die mit allen rechtlich möglichen Mitteln vorgegangen werden muss. Leider muss erneut Karlsruhe eingreifen und aktiv werden, wo Thüringer Sicherheits- und Justizbehörden über Jahre versagten und militante Neonazis gewähren ließen.“

König hält es für angemessen, dass der Generalbundesanwalt erneut Anklage wegen Terrorismus erhebt. „Das Ziel der Gruppe bestand darin, Nazi-Terror zu verbreiten. Dann sollte man das auch entsprechend benennen und nach den gesetzlichen Möglichkeiten verfolgen.“ Sie forderte ein konsequentes Vorgehen gegen Szene-Immobilien und auch eine Aufarbeitung möglicher Verstrickungen der Thüringer Polizei. Mitglieder der Gruppe hatten sich selbst mit Verbindungen zur Polizei gerühmt, weswegen die Thüringer Polizei in den Ermittlungen teils nicht mehr involviert war.

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