Affenpocken in Afrika: Rasante Ausbreitung
In 15 afrikanischen Ländern sind Mpox-Fälle offiziell bestätigt worden. Kinder unter 15 Jahren sind von der Krankheit am schlimmsten betroffen.
Laut dem jüngsten CDC-Lagebericht sind mittlerweile in 15 afrikanischen Ländern Mpox-Fälle offiziell bestätigt worden, und zwar in allen fünf verschiedenen Regionen des Kontinents. Die Gesamtzahl der Mpox-Fälle in diesem Jahr beläuft sich für Afrika derzeit auf 26.544, von denen 5.732 offiziell im Labor positiv getestet wurden.
Ein Großteil davon, 23.761 Fälle, wurden in der Region Zentralafrika verzeichnet. Die meisten Fälle wurden in der Demokratischen Republik Kongo registriert, wo die Krankheit bereits in der Vergangenheit mehrfach ausgebrochen war, allerdings in einer weit weniger ansteckenden Variante. Im August hat die Internationale Gesundheitsorganisation WHO einen weltweiten Gesundheitsnotstand ausgerufen, um eine mögliche Pandemie rechtzeitig einzudämmen.
Die renommierte medizinische Fachzeitschrift Lancet verweist in ihrem jüngsten Bericht auf die Gefahr, dass die aktuellen Fallzahlen weit über denen liegen, die CDC berichtet. Besonders in Ländern wie der DR Kongo, wo die Gesundheitsversorgung extrem schlecht ist und es enorm hohe Zahlen an sexualisierter Gewalt gibt, sind die Testraten sehr niedrig.
Aktive Fallsuche
„Die hohe Unterziffer von Fällen in Afrika erfordern die Umsetzung verstärkter und proaktiver Überwachungsmaßnahmen“, so Lancet. Dazu gehöre beispielsweise auch die aktive Fallsuche in Kliniken, die auf sexualisierte Gewalt und demnach auch auf sexuell übertragbare Krankheiten spezialisiert seien. Die WHO erklärt, die Zahl der Verdachtsfälle im Kongo sei etwa fünfmal so hoch wie die der im Labor bestätigten Fälle.
Da das Affenpockenvirus in der neuen, sehr ansteckenden Variante vor allem bei Menschen mit schwachem Immunsystem tödlich sein kann, hat das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) vergangene Woche an die Weltgemeinschaft appelliert, ein Budget von mehr als 21 Millionen Dollar zur Verfügung zu stellen, um die Gesundheitsversorgung für knapp zehn Millionen Geflüchtete und Vertriebene in den unzähligen Flüchtlingslagern auf dem Kontinent zu verbessern.
„Flüchtlinge und Vertriebene, die ohnehin schon vor enormen Herausforderungen beim Zugang zur Gesundheitsversorgung stehen, sind unter diesen Bedingungen einem höheren Krankheitsrisiko ausgesetzt und können sich nur noch schwerer schützen“, erklärt Allen Maina, UNHCR-Gesundheitsdirektor, die Maßnahme. Allein im Kongo leben über sechs Millionen Menschen dicht gedrängt in den Vertriebenenlagern ohne nötige Grundversorgung wie sauberes Wasser.
Laut dem UN-Kinderhilfswerk (Unicef) im Kongo sind vor allem Kinder unter 15 Jahren von der Krankheit am schlimmsten betroffen. Sie machen laut offiziellen Zahlen rund 60 Prozent der bestätigten Fälle aus sowie 80 Prozent der Todesfälle. Um das Überleben der Kinder zu sichern, sei es nötig, dass Patienten sehr schnell Zugang zu Medikamenten erhalten.
Epizentrum im Minengebiet
„Wir müssen unsere Maßnahmen verstärken“, so Mariame Sylla, Unicef-Vize-Chefin im Kongo. Sie habe Anfang September in der ostkongolesischen Provinz Süd-Kivu ein Notfallzentrum besucht, wo Mpox-Fälle behandelt werden, berichtet sie. „Ich habe eine Mutter getroffen, die schnell die notwendige kostenlose Behandlung für ihre sechs Monate alte Tochter Merci bekam, nachdem sie sich mit dem Virus infiziert hatte“, so Sylla. In einem Minengebiet in Süd-Kivu, wo ungeschützter Sex weit verbreitet ist, liegt das Epizentrum der Ausbreitung. Mpox wurde dort im September vergangenen Jahres zum ersten Mal registriert.
Unicef hat seit Anfang September 215.000 Dosen des Affenbox-Impfstoffs erhalten, der nun im Kongo rasch an die Gesundheitseinrichtungen in den betroffenen Gebieten verteilt wird. Doch um alle Gebiete adäquat mit Notfall-Kits und Impfstoffen versorgen zu können, benötigt Unicef laut eigenen Angaben 35 Millionen Dollar, um über die nächsten sechs Monate mehr als zwei Millionen Menschen erreichen zu können – mehr als die Hälfte davon Kinder.
Die WHO hat unterdessen dem Impfstoff des deutsch-dänischen Herstellers Bavarian Nordic die vorläufige Zulassung erteilt. Dieser Impfstoff ist bereits in mehreren Ländern im Einsatz, deren nationale Behörden ihn vorläufig freigegeben haben, darunter auch im Kongo. WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus sagte, die offizielle Zulassung sei „ein wichtiger Schritt in unserem Kampf gegen die Krankheit.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja