Neuer Premierminister in Jordanien: Technokrat von Königs Gnaden

Nach den Parlamentswahlen ernennt König Abdullah II. seinen bisherigen Stabschef zum neuen Premierminister. Dieser gilt als Anhänger des Status quo.

Jafar Hassan sitzt auf einem Sofa in einem grauen Anzug

Jafar Hassan wurde zum neuen Premierminister in Jordanien ernannt Foto: Ryan Carter/Handout/reuters

Amman taz | Technokrat, weltgewandt, enger Vertrauter des Königshauses: Fünf Tage nach der Wahl des neuen Parlaments hat Jordaniens König, Abdullah II., den zukünftigen Premierminister ernannt. Der neue Regierungschef heißt Jafar Hassan und arbeitet derzeit als Chef des Königsbüros. Seine Karriere hat Hassan im Auswärtigen Amt begonnen, unter anderem an der jordanischen Botschaft in Washington. Auf seinem Curriculum stehen ein Master in Öffentlicher Verwaltung an der prestigeträchtigen Harvard University in den USA, und ein Doktorat in Politikwissenschaften am Graduate Institute im schweizerischen Genf.

Der 56-Jährige arbeitet seit etwa drei Jahrzehnten im öffentlichen Dienst. In den turbulenten Jahren zwischen 2009 und 2013, als der arabische Frühling Nordafrika und die Nahost-Länder wie eine Welle überrollte, war er Minister für Planung und internationale Kooperation.

2018 wurde er zum Vize-Premierminister für wirtschaftliche Angelegenheiten ernannt. Und zwar beim verzweifelten Versuch, die Wut der Massen zu beruhigen nach Protesten, die einer Reihe von Austeritätsmaßnahmen folgten. Diese waren Bedingung für weitere finanzielle Hilfen des Internationalen Währungsfonds und führten zu einem Anstieg der Steuern, Lebensmittel- und Treibstoffpreise. Hassan sollte das Sparprogramm zum Schuldenabbau betreuen. Der Versuch blieb erfolglos. Tausende Jor­da­nie­r*in­nen gingen wenige Monate später erneut auf die Straßen und zwangen den damaligen Regierungschef Hani Mulki zum Rücktritt.

„Sieg der Protestwähler“ in Jordanien

Am vergangenen Dienstag waren Jor­da­nie­r*in­nen an die Urnen gegangen, um ein neues Parlament zu wählen. Trotz demokratischer Reformen war jedoch nur knapp ein Drittel der Wahlberechtigten erschienen. Die Gewinner dieser spärlich besuchten Wahl war sicherlich die religiös-konservative Islamische Aktionsfront (IAF), der politische Arm der Muslimbrüder, die sich zwar keine absolute Mehrheit, jedoch 22 Prozent der Parlamentssitze sicherte. Einen Sieg der „Protestwähler“ nannte es die jordanische Politikexpertin Katrina Sammour.

Hassans aktuelle Ernennung zeigt indes eher den Willen, den Status quo voranzutreiben. „Es wird von ihm nicht so viel mehr erwartet, als dasselbe Regierungsführungsmodell fortzusetzen“, urteilt der jordanische Analyst Amer Al-Sabaileh. „Es wird erwartet, dass er pragmatischer handelt, vor allem bei der Außenpolitik, doch es ist mit keiner bedeutsamen Veränderung zu rechnen.“

Hassan gehört keiner Partei an, gilt jedoch als Vertrauter des Königs und hatte bereits in vergangenen Jahren die Stabschefstelle inne. „Er ist eher ein Funktionär“, so Al-Sabaileh, aber weder eine politische Figur noch beim Volk besonders beliebt, nach den Reformen 2018. Ob dies ihm zum Verhängnis werden könnte – jetzt, wo die Wirtschaft in Jordanien unter den Folgen des Krieges im Nachbarland leidet und die Oppositionspartei der IAF eine größere Macht im Parlament genießt – bleibt eine offene Frage.

Proteste mit Pro-Hamas-Parolen finden inzwischen wöchentlich statt

Die Hälfte der Bevölkerung hat palästinensische Vorfahren

Seine Aufgabe ist gerade nicht leicht: Der Konflikt in Gaza hat eine deutliche Abnahme der Touristenzahlen und weitere negative Folgen für die Wirtschaft des Landes mit sich gebracht, die Staatsverschuldung beträgt etwa 50 Milliarden US-Dollar, die Arbeitslosigkeit liegt bei 21 Prozent, Proteste mit Pro-Hamas-Parolen finden inzwischen wöchentlich statt. Mindestens die Hälfte der Jor­da­nie­r*in­nen hat Schätzungen zufolge einen palästinensischen Vorfahren, das Land gilt jedoch als Verbündeter des Westens und unterhält Abkommen mit Israel.

Jordanien ist laut Verfassung eine Erbmonarchie mit parlamentarischem System, der König spielt aber im politischen Geschehen eine erhebliche Rolle. In seinem Auftragsbrief an Hassan betonte Abdullah II. die Aufgabe der künftigen Regierung, die Modernisierungsprozesse bei Wirtschaft, Politik und Verwaltung fortzusetzen, die in der auslaufenden Legislatur begonnen haben. Diese waren vom Königshaus stark gewollt.

Noch muss der frisch Nominierte seine Regierung zusammensetzen und die Mi­nis­te­r*in­nen vorschlagen. Das neue Kabinett muss dann am Ende das Vertrauensvotum des Unterhauses im Parlament passieren.

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