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„Wir müssen es halt versuchen“

Viele SPD-Mitglieder überlegen, ob es sich noch lohnt für Gerhard Schröder in den Wahlkampf zu ziehen. Ein Besuch an der Basis

Bremerhaven taz ■ „Wir haben einen Wahlkampf zu führen.“ Siegfried Breuer, Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Bremerhaven, ruft es seinen Genossen auf dem Parteitag zu – und fast wirkt es so, als höre er ein wenig in den Saal hinein. Doch der bleibt stumm, nicht einmal eine Hand rührt sich bei diesem Programmpunkt zum Applaus. Also nachgefragt. „Klar“, sagt ein jüngerer Genosse, er werde in den Wahlkampf ziehen und die Menschen überzeugen, erneut SPD zu wählen. „Für Bremerhaven“, sagt er. Und auch für Bundeskanzler Schröder? „Neee“, sagt der Mann, der sich als Facharbeiter bezeichnet. Da habe er „Schwierigkeiten“. Und dann will er lieber nicht, dass sein Name in der Zeitung erscheint.

Das wollen an diesem Abend nicht mal die sozialdemokratischen Urgesteine in Bremerhaven. Eines von ihnen sitzt ein paar Tische weiter, hat gerade mitgeholfen, Jörg Schulz als alten und neuen OB-Kandidaten für Bremerhaven ins Rennen zu schicken. Seit 32 Jahren ist der Delegierte in der SPD, von deren Bundespolitik er die Nase voll hat. „Zeit meines Lebens habe ich für sozialen Ausgleich gekämpft, dass ist uns von denen aus Berlin alles durch Hartz IV kaputt gemacht worden“, sagt er, und es klingt nicht einmal nörgelnd. Der ehemalige Stadtverordnetenvertreter ist 57 Jahre alt und denkt über einen Parteiaustritt nach. „Mit Oskar Lafontaine haben wir Wahlen gewonnen“, sagt er. Doch dann siegt die Solidarität: „Man läuft in schwierigen Zeiten nicht einfach davon.“

Von Manfred Stolpe und Ulla Schmidt will er nichts wissen, aber auf seinen Bundestagsabgeordneten lässt der Ur-Genosse nichts kommen. „Der Uwe hat gute Arbeit geleistet. Gegen den Mist, den die da verzapfen, konnte er nichts machen.“ Vielleicht sehen das Sozialdemokraten in anderen Orts- und Landesverbänden auch so. Wolfgang Clement und Gerhard Schröder können jedenfalls in diesen Tagen von dort kaum Unterstützung erwarten.

Und das selbst in Hochburgen wie Bremerhaven. „Ich habe keine Angst, dass wir viele Stimmen oder das Direktmandat einbüßen“, tönt Marlies Marken, Bremerhavener Bürgerschaftsabgeordnete. Sie sieht die Partei „bereit“ für einen neuen Urnengang. Überzeugende Mehrheiten von 50 Prozent und mehr geben ihr Recht. Bremerhaven wird eine sozialdemokratische Hochburg bleiben – allerdings mit wenig aktiven Parteimitgliedern.

Siegfried Breuer weiß warum. „Die Leute in der Stadt haben Angst, arbeitslos und sofort Sozialhilfeempfänger zu werden“, sagt er und spricht seinen Parteifreunden aus der Seele, die sich für die Agenda 2010 nicht von erbosten Bürgern anpflaumen lassen wollen.

Dabei lebte die SPD als Mitgliederpartei traditionell von der ehrenamtlichen Werbung der Genossen. Wahlforscher wissen, dass die Partei bei Urnengängen reüssiert, die die eigene Klientel am geschlossensten zur Wahl bringt. Bei der SPD wäre die klassische Klientel Arbeiter und Angestellte. Genau bei diesen Gruppen hat sie bei der Wahl in Nordrhein-Westfalen am meisten verloren, weil die eigenen Leute ihre Kollegen nicht mehr überzeugen konnten. Das könnte in SPD im Bund und in Bremen genauso sein. Die meisten Genossen auf diesem Parteitag glauben selbst nicht an einen Sieg. Wie wollen sie da andere überzeugen? SPD-Chef Siegfried Breuer zuckt mit dem Achseln und sagt lapidar: „Man muss es halt versuchen.“ kay müller

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