Staatenlos in Deutschland: Laut Kommission kein Härtefall
Die Zukunft von Robert A. ist weiter ungewiss. Am Freitag hat die sächsische Härtefallkommission entschieden, sich nicht für ihn auszusprechen.
Leipzig taz | Die sächsische Härtefallkommission spricht sich nicht dafür aus, dem 31-jährigen Robert A. aus „humanitären oder persönlichen Gründen“ einen Aufenthaltstitel zu erteilen. Das beschloss die Kommission am Freitag in einer nichtöffentlichen Sitzung. A. lebt seit mehr als 30 Jahren in Deutschland, bislang mit einer Duldung. Das heißt, er ist ausreisepflichtig, seine Abschiebung wurde aber ausgesetzt.
Robert A. und sein Anwalt Ulrich Tronczik zeigten sich auf taz-Anfrage enttäuscht vom Abstimmungsergebnis. „Ob sie die aktuell migrationsfeindliche Stimmung darauf ausgewirkt hat, vermag ich nicht zu sagen“, kommentierte Tronczik. Weiter wollten sie sich am Freitag zunächst nicht äußern. Für A. heißt das, an seiner Ausgangslage ändert sich nichts: Ihm droht eine Abschiebung in ein Land, in dem er noch nie war: nach Serbien.
Nachdem seine Eltern 1993 vor dem Jugoslawienkrieg geflohen waren, kam er in den Niederlanden zur Welt und dann mit acht Monaten nach Deutschland. Als Kind lebte er in einer Geflüchtetenunterkunft in Aue im Erzgebirge. Später zog er nach Chemnitz, wo er Freundschaften schloss, sich bei Vereinen und den Grünen engagierte. Allerdings lebte er immer nur geduldet in Sachsen, weil seine Identität für die Behörden ungeklärt war.
Unter anderem, um die Duldung zu verlängern, musste A. alle paar Monate zur Ausländerbehörde. Weil er – trotz vorliegender Angebote -keine Arbeitserlaubnis bekam, lebte er von Sozialleistungen. 2019 wurde er wegen Drogenhandels zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Er habe Fehler gemacht, die er bereue, sagte Robert A. der taz dazu. Die Ausländerbehörde begründet damit aber ein besonderes Abschiebeinteresse.
Abschiebung im Juli abgebrochen
Um eine Arbeitserlaubnis zu bekommen, versuchte Robert A. über Jahre seine Identität zu klären. Nachdem das in diesem Jahr gelungen war, nahm die Polizei ihn bei einem Besuch in der Ausländerbehörde fest. Wenige Tage später fuhr sie ihn zum Flughafen nach Frankfurt am Main. In Chemnitz, der Heimatstadt von Robert A., gab es Protest: mehr als zweihundert Menschen demonstrierten gegen seine Abschiebung und online unterzeichneten Tausende eine Petition dagegen.
Dann brach Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) überraschend die Abschiebung ab. Robert A. war bereits am Flughafen, als sein Anwalt ihn anrief und darüber informierte. Schuster hatte erklärt, die Landesdirektion, die zuständige Behörde, solle den Fall prüfen. Wie weit diese Prüfung ist? Auf Anfrage der taz hieß es bislang dazu: „Die Erörterung durch die Härtefallkommission ist abzuwarten.“
Leser*innenkommentare
Semon
Wenn das keine Härtefall ist, wüsste ich gern wann die Härtefallkommission einen solchen erkennt?
Allein die absurde Situation jemanden zu dulden, aber ihn nicht arbeiten zu lassen? Wer denkt sich solche Regeln aus?
Paul Anther
Wie meine ehemaliger Chef mal sagte, man kann nur die Integrierten abschieben, denn durch deren Kooperation ist ihre Herkunft bekannt und man weiß jederzeit, wo man sie findet. Bei den Problemfällen ist die wahre Identität verschleiert, keiner weiß, wo sie sind und die Herkunftsländer wollen solche garantiert nicht ohne Widerstand aufnehmen. Opfer für die Statistik. Kann ja nicht sein, dass beim nächsten skandalösen Verbrechen die Abschiebungszahlen zu klein sind.
Farang
A. lebt seit mehr als 30 Jahren in Deutschland (...) Weil er - trotz vorliegender Angebote - keine Arbeitserlaubnis bekam, lebte er von Sozialleistungen. 2019 wurde er wegen Drogenhandels zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Er habe Fehler gemacht, die er bereue, sagte Robert A. der taz dazu. Die Ausländerbehörde begründet damit aber ein besonderes Abschiebeinteresse."
Nun ja, damit man 2 Jahre auf Bewährung für Drogenhandel bekommt muss man im Normalfall nicht nur einen Fehler machen... - oder es war ein sehr großer. Da ist das 'besondere Abschiebeinteresse' natürlich nachvollziehbar. Serbien ist auch kein unsicherer Staat 🤷♂️
Hat er sich denn anderweitig abseits seiner leider erfolglosen Arbeitsbemühungen versucht von Interesse für Deutschland zu machen?
Abitur? Studium? Für Bildung bedarf es schließlich keiner Genehmigung - seit 2009 darf man mit Duldung auch in Deutschland studieren...
Was ist mit einer Ausbildungsduldung, etc...
Es gibt viele Wege sich von Interesse für den Staat zu machen, Sozialleistungen und abwarten ist immer die schlechteste
Uns Uwe
@Farang "Hat er sich denn anderweitig abseits seiner leider erfolglosen Arbeitsbemühungen versucht von Interesse für Deutschland zu machen?
Abitur? Studium? Für Bildung bedarf es schließlich keiner Genehmigung"
Ich glaube, es ist nicht zulässig, auf Sozialhilfe zu studieren. Ansonsten hat Robert A. alles gemacht, was er konnte und durfte:
"Später zog er nach Chemnitz, ging zur Schule, knüpfte Freundschaften, machte eine schulische Ausbildung und engagierte sich bei Vereinen und den Grünen. Deutschland, sagt Robert A., das ist seine Heimat ..."
(steht im ersten Artikel: taz.de/Staatenlos-...schland/!6036408/)
Dieses Engagement hat die Härtefallkommission anscheinend in keiner Weise gewürdigt.
Ihre auch menschlich kalte Beurteilung "des Falles" ist einfach ungerecht. Damit ist Robert A. leider kein Einzel"fall".
Grauton
Was soll das liebe 'Härtefallkommission'?
Jeder Betroffene sollte ein Recht darauf haben zu sehen, wie die Entscheidung zustande gekommen ist.