Wie Deutsche China sehen sollen

Der Einfluss des Pekinger Propagandaapparates bei deutsch-chinesischen TV-Produktionen nimmt massiv zu. Ist eine Zusammenarbeit noch verantwortbar?

Wenn wie hier in Indien aufgenommen, ist es okay – auf eigenem Staatsgebiet möchte China den Dalai-Lama nicht im Bild haben Foto: Harish Tyagi/epa

Von Wilfried Urbe

Als der renommierte Dokumentarfilmer Stefan Pannen vor Jahren für die Reihe über „Die gefährlichsten Straßen der Welt“ auf Arte einen Film in Tibet drehte, war per Zufall und nur ganz klein in einer Tempelaufnahme ein Bild des Dalai-Lama zu sehen. Das chinesische Partnerunternehmen, das aktuell nicht offen darüber sprechen möchte, bat damals umgehend darum, diese Szene herauszuschneiden, weil es drastische Konsequenzen seitens der Regierungsbehörden befürchtete, bis hin zur Schließung des Unternehmens.

Der Berliner Pannen, der schon oft mit chinesischen Firmen zusammengearbeitet hat, nimmt jetzt generell davon Abstand. Denn inzwischen fordert die Propagandaabteilung der chinesischen Einheitspartei auch für die Versionen, die in den westlichen Medien gezeigt werden, eine Abnahme: „Seit etwa anderthalb Jahren wird uns das immer wieder so mitgeteilt, wenn wir internationale Projekte mit chinesischen Partnern besprechen. Früher haben wir Koproduktionen gemacht, aber wir mit Versionen für unseren Markt, die Chinesen mit Versionen für ihren, aber jetzt wollen sie auch die Inhalte bei uns bestimmen.“

Dass das der Regelfall für sämtliche Gemeinschaftsprojekte ist, hat auch ein Managementmitglied eines großen chinesischen Medienkonzerns der taz bestätigt: „Sie wollen nicht, dass Filme irgendwelche Elemente enthalten, die gegen die chinesische Regierung oder ihre Politik gerichtet sind.“

Dabei drängen Medienplayer aus dem Land mehr denn je auf den westlichen Markt. Auf der weltgrößten TV-Messe, Mipcom in Cannes, etwa waren sie letztes Jahr mit einer 300-köpfigen Mannschaft aus 40 Unternehmen vertreten. Gerade in Zeiten knapper Kassen, auch bei den Öffentlich-Rechtlichen, sind sie als Finanziers bei BBC und Co herzlich willkommen.

Während des wichtigsten internationalen Dokuproduzententreffs, Sunny Side of the doc in Frankreich im Sommer, etwa stellte eine chinesische Dele­gation im Rahmen eines festlichen Empfangs zahlreiche internationale Projekte vor, darunter auch eine Ko­pro­duk­tion mit dem öffentlich-rechtlichen Tochterunternehmen ZDF Studios. „Redaktionelle Abnahme und Verantwortung für die deutsche Fassung liegen ausschließlich beim ZDF“, teilt die Pressestelle auf Anfrage mit. Das gelte auch für die aktuellen Projekte, die zurzeit etwa mit LIC, dem größten chinesischen privaten Medienunternehmen, realisiert werden. Ob das tatsächlich so ist, erscheint nach den Hinweisen aus China fraglich. Auf eine offizielle taz-Anfrage dazu beim CICC, der Agentur für kulturelle Kommunikation, die den chinesischen Auftritt in Frankreich federführend organisiert hat, gab es bis Redaktionsschluss keine Antwort.

Die Sinologin Mareike Ohlberg, Autorin von „Die lautlose Eroberung“, dem Standardwerk zur deutsch-chinesischen Verknüpfung, beschäftigt sich schon länger mit der Einflussnahme des chinesischen Propagandaapparats via Medien. Akteure aus Fernost gingen Kooperationen nicht deswegen ein, weil sie zu wenig Geld hätten, sondern weil sie Möglichkeiten suchten, unterschwellig ihre Botschaften in Europa oder den USA unterzubringen: „Auch wenn es um scheinbar harmlose Themen geht, sind die Inhalte dann doch fragwürdig. Naturdokus zum Beispiel werden oft in Minderheitsregionen gedreht, etwa in Tibet. Dadurch wird versucht, den Umgang mit Menschenrechten durch schöne Bilder mit Bergen oder Wasserfällen zu überdecken.“

Søren Schumann, Arte-Beauftragter beim RBB, verzichtet generell auf Zusammenarbeit mit chinesischen Akteuren: „Das deutsche öffentlich-rechtliche System ist in seiner Abschottung gegen Einflussnahme nahezu einmalig.“ Daher komme ihm eine besondere Verantwortung zu, zu prüfen, ob eine Kooperation „unseren deutschen Standards der Unabhängigkeit“ genügt: „Derzeit sind mir keine chinesischen Partner bekannt, die diese Standards erfüllen würden.“

Und so wären wohl auch für ARD und ZDF übergreifende Richtlinien bei der Zusammenarbeit mit China angebracht. Sie müssten, so Ohlberg, dazu verpflichtet werden, intensiver über solche Kooperationen nachzudenken: „Sie sollten sich intern Regeln auferlegen. Und das sollte vor allem auch für die Tochterfirmen der Öffentlich-Rechtlichen gelten, die an diesen Projekten mit China beteiligt sind oder sie sogar initiieren.“