Prozess gegen Querdenken-Gründer: Ballweg in Stuttgart vor Gericht
Der Querdenker-Gründer Michael Ballweg muss sich am Mittwoch vor Gericht verantworten. Er soll Schenkungen in sein Privatvermögen umgeleitet haben.
Das Gericht wirft dem ehemaligen Stuttgarter IT-Unternehmer versuchten Betrug in 9.450 Fällen vor. Auf den Demonstrationen in Stuttgart und anderswo hatte Ballweg um Spenden gebeten und damit mehr als eine Million Euro eingenommen. Über den Verwendungszweck des Geldes habe er laut Staatsanwaltschaft aber die Spender getäuscht. Zudem muss er sich wegen Steuerhinterziehung vor Gericht verantworten.
Zwischenzeitlich folgten Zehntausende Demonstranten von links bis rechts den Aufrufen Ballwegs und seiner Mitstreiter. Bei den Demos kamen auch Antisemiten wie der Influencer Ken Jebsen zu Wort. Im April 2021 stellte das Bundesamt für Verfassungsschutz die Bewegung unter Beobachtung, weil diese über die Kritik an der Coronapolitik eine „Delegitimierung des Staates“ betreibe. Unter anderem der Antisemitismusbeauftragte Baden-Württembergs, Michael Blume, hatte früh auf das fragwürdige Geschäftsmodell der Querdenker-Funktionäre hingewiesen.
Nachdem bereits gegen Mitstreiter Ballwegs, wie den Arzt Bodo Schiffmann und den Anwalt Ralf Ludwig, ermittelte wurde, hat die Polizei im Frühjahr 2022 recht robust auch Ballwegs Haus in Stuttgart durchsucht und ihn dabei festgenommen. Ballweg, der bald 50 wird, war von Juni 2022 bis April 2023 in Untersuchungshaft. Das machte ihn für seine Anhänger zum Märtyrer, sie veranstalteten Kundgebungen vor dem Gefängnis.
Vorwurf: Gemeinnützigkeit vorgegaukelt
Das Gericht hatte im vergangenen Jahr die Anklage der Staatsanwaltschaft wegen Betrugs zunächst nicht zugelassen und der Vorwurf der Geldwäsche war ganz fallen gelassen worden. So könnte das Verfahren, das am Mittwoch beginnt, dann doch eine Nummer kleiner ausfallen, als es zunächst erschien.
Viele der Spender fühlen sich nach eigenen Aussagen nicht von ihm betrogen. Doch darauf kommt es juristisch nicht an. Ballweg hatte angeblich bis zu 800.000 Euro seines eigenen Geldes in seine Bewegung „Querdenken 711“ gesteckt. Erst als ihm dann das Geld ausging, habe er seine Anhänger zu sogenannten Schenkungen aufgerufen. Von diesem Geld soll er laut Staatsanwaltschaft 500.000 Euro in sein Privatvermögen geleitet haben. Der Betrug liegt laut Staatsanwaltschaft darin, dass Ballweg seinen Anhängern vorgegaukelt habe, aus der Bewegung einen gemeinnützigen Verein zu machen.
Ballwegs Anwalt, der CDU-Abgeordnete Reinhard Löffler, kritisierte die lange Untersuchungshaft seines Mandanten als grundlos. Die Staatsanwaltschaft hatte den Verkauf seines Hauses nach der Scheidung von seiner Frau als Zeichen für eine mögliche Flucht gewertet. Der Prozess werde zeigen, dass sein Mandant unschuldig ist, erklärt Löffler, man könne nicht nachweisen, dass Ballweg das Geld privat verwendet habe.
Das Landgericht Stuttgart hat 30 Verhandlungstage bis weit ins nächste Jahr angesetzt. Ein ähnlicher Prozess gegen den Querdenker-Aktivisten und ehemaligen Anwalt Reiner Füllmilch läuft schon seit Januar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Geschlechtsidentität im Gesetz
Esoterische Vorstellung
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Nach Diphtherie-Fall in Berlin
Das Problem der „Anthroposophischen Medizin“
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Felix Banaszak über das Linkssein
„Für solche plumpen Spiele fehlt mir die Langeweile“