Klimaneutralität in Europa: Deutschland ist zu langsam

Die Vorreiter Dänemark und Norwegen zeigen laut einer Studie, wie man klimaneutral werden kann. Deutschland hinkt in allen Bereichen hinterher.

Ein Windrad vom Typ Enercon E-82, bei Gladbeck in NRW

Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral sein – noch ein weiter Weg, wie eine Studie zeigt Foto: Jochen Tack/imago

Berlin taz | Deutschland erfüllt die Klimaziele im Verkehrs-, Strom und Gebäudesektor zu langsam. So könne das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 nicht erreicht werden. Das ergibt eine Studie des Potsdamer Forschungsinstituts für Nachhaltigkeit in Kooperation mit der Bertelsmann-Stiftung, die am Dienstag erschienen ist. Die beiden Einrichtungen haben den Fortschritt bei ökologischer Verkehrs-, Wärme- und Stromwende in Ländern untersucht, die als Vorreiterstaaten gelten: Norwegen, Dänemark, Großbritannien und Deutschland. Der Ruf ist dem Ergebnis zufolge nicht in allen Fällen gerechtfertigt.

„Deutschland hat bei allen Sektoren noch große Hausaufgaben zu leisten“, sagte Christof Schiller von der Bertelsmann-Stiftung der taz. Dänemark und Norwegen könnten als Vorbilder in vielen Bereichen dienen.

Zum Beispiel ist der Individualverkehr in Norwegen laut der Studie nahezu emissionsfrei. Das liege unter anderem an einer offensiven Subventionierung von E-Autos sowie dem raschen Ausbau der Lade­in­fra­struktur. In Deutschland würden hingegen noch zu viele Verbrenner verkauft, der Anreiz zur Nutzung von E-Autos sei zu gering und die Ladeinfrastruktur lasse ebenfalls zu wünschen übrig.

Dänemark hat im Stromsektor eine Vorbildrolle inne. „Gerade bei der Frage effektiver Mechanismen von Politikkoordinierung, evidenzbasierter Politikgestaltung und zivilgesellschaftlicher Beteiligung verfügt das dänische Regierungssystem über Stärken im Ländervergleich“, heißt es in der Studie.

Umrüstung auf Wärmepumpen muss attraktiver werden

In Deutschland müsse die Netzinfrastruktur deutlich ausgebaut und modernisiert werden, um das Drosseln von erneuerbarem Strom und negative Preise zu verhindern, sagte Schiller. Die gute Nachricht: Bei der Produktion von Ökostrom ist Deutschland laut Studie auf einem guten Weg. Nur sei das Netz zu schlecht, um ihn auch gut zu verteilen.

In Dänemark seien außerdem Genehmigungsverfahren schnell und einfach und die Fördermaßnahmen seien gut an die Bedürfnisse der Bür­ge­r:in­nen angepasst. Deshalb liege die Zustimmung unter der Bevölkerung zum Ausbau der erneuerbaren Energien bei 93 Prozent, in Deutschland nur bei 85 Prozent.

Auch beim Heizen ist Dänemark Vorreiter. Dort startete die Wärmewende bereits Ende der Siebzigerjahre mit dem gezielten Ausbau der Fernwärme und der Gründung der dänischen Energieagentur. Heute sind rund zwei Drittel der Haushalte in Dänemark an das Fernwärmenetz angeschlossen. Die Energieerzeugung stammt bereits zu 60 Prozent aus erneuerbarer Energie.

Das deutsche Heizungsgesetz, das den Umstieg auf klimafreundliches Heizen bringen soll, wurde erst im vergangenen Jahr endgültig beschlossen. „Deutschland ist auch hier noch nicht auf dem richtigen Weg“, sagte Schiller. „Die Regierung muss sich überlegen, wie sie zum Beispiel die Umrüstung auf Wärmepumpen fördern und attraktiver gestalten kann.“ Möglich sei zum Beispiel eine Aufklärungskampagne, um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu steigern.

„Die Ergebnisse der Studie bestätigen, dass die bisherige Politik der Bundesregierung unzureichend ist, um die Klimaschutzziele einzuhalten“, sagte Mira Jäger, Energieexpertin von Greenpeace, der taz. Beispielsweise brauche es einen Gasausstieg bis 2035. Bislang ist nur ein Kohleausstieg beschlossene Sache. Jäger forderte außerdem eine zügige, sozial gerechte Wärmewende und einen zukunftsfähigen Umbau der Industrie.

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