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Oldenburger Edith-Russ-HausBürgermeister will Entnazifizierung

Die Stifterin des Oldenburger Hauses für Medienkunst, Edith Ruß, war Nationalsozialistin, besagt eine neue Studie. Das hatte die Stadt lange ignoriert.

Hier soll sich etwas ändern: Ansicht der Oldenburger Vorzeige-Medienkunst-Adresse, noch mit dem Namen von Mäzenin Edith Ruß Foto: Edith-Russ-Haus

Hamburg taz | Und sie bewegen sich doch: Das Oldenburger Haus für Medienkunst soll einen neuen Namen bekommen – weil die Gründerin und Patin entgegen wiederholter Beteuerungen eben doch Nazi war.

„Oberbürgermeister Jürgen Krogmann plädiert dafür, das Edith-Russ-Haus für Medienkunst umzubenennen.“ Das gab die Stadt Oldenburg am vergangenen Donnerstag bekannt. „Aus meiner Sicht“, zitiert die Mitteilung den Sozialdemokraten, der als Dezernent auch die Kultur mitverantwortet, „ist es für eine städtische Kultureinrichtung nicht mehr tragbar, den Namen Edith Ruß im Titel zu verwenden.“

Das ist keine Lappalie. Das „Edith-Russ-Haus für Medienkunst“ öffnete im Jahr 2000, zu einem Zeitpunkt also, da man­che:r Kri­ti­ke­r:in laut darüber nachdachte, ob solche als flüchtig wahrgenommene Kunst noch an einem physisch aufzusuchenden Ort ausgestellt werden darf – und nicht vielmehr ins Netz gehört. Manchmal wird es mit dem international weniger verbreitetem „ß“ geschrieben. International aber ist die Geltung, die es der Stadt als Kunststandort beschert – eine vielleicht etwas spezifische Geltung, aber immerhin. Vielleicht waren das allzu spezielle Sorgen, vielleicht mochte auch einfach niemand einer geschenkten Kunsthalle ins sprichwörtliche Maul schauen?

„Das Haus wurde durch eine Schenkung von Edith Ruß (1919–1993) ermöglicht, die Journalistin, Pädagogin und private Kunstsammlerin war“, so formuliert es das Haus selbst. Demnach wollte die Spenderin ihre Heimatstadt bereichern durch eine Einrichtung, die einen „würdigen Übergang in das Jahr 2000“ symbolisieren sollte, während seine eigene Gestaltung an die Bauhaus-Architektur anknüpfen sollte – an ein Kapitel deutscher Geschichte also, das gern als unschuldig verstanden wird, ehe dann diese Nazis gekommen seien und diese schlimmen zwölf Jahre.

Kein unschuldiger Beruf

Am 1. Januar 1934 trat das Schriftleitergesetz in Kraft – „das entscheidende Instrument nationalsozialistischer Medienkontrolle“, so die Bundeszentrale für Politische Bildung. Zu diesem Zeitpunkt sei die „Gleichschaltung“ der deutschen Medienlandschaft aber längst im Gange gewesen.

NS-Propagandaminister Joseph Goebbels hatte im April 1933 erklärt, zur Politik des neuen Regimes müsse man sich „mit einem klaren Ja oder einem klaren Nein bekennen“. Und: „Die geistigen Kräfte des deutschen Journalismus, die sich zu einem Ja verpflichten, können der wärmsten ideellen und materiellen Unterstützung der Regierung gewiss sein.“

Das Schriftleitergesetz – „Schriftleiter“ war der systemkonform eingedeutschte „Redakteur“ – regelte unter anderem, wer den Beruf ausüben durfte: Jour­na­lis­t:in­nen mussten die deutsche Reichsangehörigkeit besitzen (§ 5) und einen „Ariernachweis“ vorlegen (§ 6). Die nun auch vorgeschriebene Mitgliedschaft in der Reichspressekammer (§ 8) wiederum konnte verweigert werden: Wer politisch nicht fügsam war, bekam so keine Arbeit mehr in den noch zugelassenen Medien.

Zur Loyalität gegenüber dem NS-Regime verpflichtete das Gesetz den Berufsstand ganz ausdrücklich: Jour­na­lis­t:in­nen gingen einer „öffentlichen Aufgabe“ nach (§ 1), die konkret definiert wurde (§ 14): Sie sollten aus der Berichterstattung „fernhalten“, was die „Kraft des deutschen Volkes“ oder den „Gemeinschaftswillen“ schwächte.

„Edith Russ trat am 1. Januar 1941 der NSDAP bei“: So steht es nun prominent in dem Gutachten, das die Oldenburger His­tor­i­ke­r:in­nen Mareike Witkowski und Joachim Tautz soeben im Auftrag der Stadt fertiggestellt haben – nachdem die taz auf die Systemverstrickungen der früheren Lehrerin und Journalistin hingewiesen hatte. Dass die Parteimitgliedschaft eindeutig feststeht, ist bedeutsam, denn Ruß hatte sie stets verneint, auch im Zuge ihres Entnazifizierungsverfahrens.

„Politische Ämter innerhalb der Partei oder anderer NS-Organisationen übte sie nicht aus“, heißt es in dem Gutachten weiter. „Seit 1939 hat sie für unterschiedliche Zeitungen gearbeitet, darunter auch solche, die von der NSDAP herausgegeben wurden.“ In Ruß’ Artikeln „findet sich Gedankengut, das sich als völkisch und nationalistisch einordnen lässt“, schreiben Witkowski und Tautz. „Antisemitische oder rassistische Aussagen tätigt sie in ihren Beiträgen nicht.“

Unter den Bedingungen des NS war rechtmäßig ausgeübter Journalismus immer auch einer, der das System stützte (siehe ­Kasten). Die journalistische Tätigkeit der Oldenburger Mäzenin, so die Historiker:innen, „lässt sich als ein Beitrag zur Normalisierung und Stabilisierung des NS-Regimes charakterisieren – wenn auch auf einer untergeordneten Ebene“.

Das ist eine ganz andere Aussage, als sie sich in der Biografie Edith Ruß’ findet, die etwa gleichzeitig mit der Eröffnung des Kunsthauses herausgebracht worden war – verfasst von der heutigen Leiterin des Oldenburger Kulturbüros. Über die Nicht-Mitgliedschaft in der Nazipartei hinaus wird Ruß darin attestiert, sie habe sich ihre Unabhängigkeit bewahrt. Nun heißt es, dafür, das sie je Selbstkritik geübt oder ihre Vergangenheit aufgearbeitet habe, fänden sich „in den Quellen keine Hinweise“.

Oldenburgs OB Krogmann teilte mit: „In Gesprächen mit Künstlerinnen und Künstlern sowie Sponsoren und Kooperationspartnern ist eine spürbare Distanz und der Wunsch nach einer Namensänderung für das Ausstellungshaus deutlich geworden.“ Den Ratsgremien wolle er nun den Verzicht auf die Nennung von Edith Ruß im Titel des Hauses vorschlagen.

Stadtsprecher Stephan Onnen betont gegenüber der taz besonders den „Vertrauensbruch“, weil Ruß bis zuletzt an der Lüge festgehalten hatte, kein NSDAP-Mitglied gewesen zu sein. Aber er erwähnt auch die zunehmende Belastung für die Arbeit des Medienkunst-Hauses selbst durch den Mäzeninnen-Namen.

„Uns ist es sehr wichtig, dass die Zeit von Edith Ruß im Nationalsozialismus jetzt wissenschaftlich aufgearbeitet wurde“, sagte Marcel Schwierin, Co-Leiter des Medienkunsthauses, am Donnerstag zur taz. Man begrüße „nachdrücklich“ den Vorstoß des Oberbürgermeisters, „den Namen von Edith Ruß aus dem Namen der Institution herauszunehmen“.

Vorgestellt wurde das Gutachten zunächst am 17. September im Kulturausschuss, dann erhielten es die Fraktionen und Gruppen im Rat. Stiftungsrechtliche Fragen sollen wiederum in der nächsten Sitzung des Kulturausschusses erörtert werden, und irgendwann ist eine öffentliche Veranstaltung zur Vorstellung und Diskussion des Gutachtens geplant.

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4 Kommentare

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  • Als wäre die Änderung der Satzung einer Erbstiftung eine Kleinigkeit. Sie ist von Gesetzeswegen nur in besonderen Ausnahmefällen vorgesehen, die mit Hürden versehen sind, die dem Mount Everest geichen. Und ein kleiner, sich selbst leider viel zu wichtig nehmender Bürgermeister hat da eigentlich gar nicht mit zu reden - zum Glück, vielleicht.



    Wenn schon die bloße Mitgliedschaft in der NSDAP ausreichen soll, um den Stab auch nach dem Ableben zu brechen, wieso werden bei CDU, FDP und auch der SPD Politiker mit Parteibuch (nein, nicht der Partei nach '45) immer noch ehrend erwähnt? Warum sind in den Museen Werke von Künstlern wie selbstverständlich ausgestellt, obwohl sie PG waren?



    Wenn mein verehrter Bürgermeister - den ich nicht gewählt habe - tatsächlich reinen Tisch machen will, dann sollte er sowohl das Russ-Haus als auch die von Frau Ruß bezahlten und den Museen gestifteten Kunstwerke verschenken (ein Verkauf wäre ja wohl so etwas wie Blutgeld, dass kann er sicher nicht mit seinem Gewissen vereinbaren).

  • Sicherlich sollte man das umbenennen. Die Stadt muss aber auch den Betrag der Schenkung zurückgeben.

    • @Stoffel:

      Als nächstes erwarten Sie von der SPD soziale und von den Grünen umweltfreundliche Politik :)

  • Abgesehen davon, dass Frau Russ 1919 geboren wurde und dann 1941 mit 22 Jahren in die NSDAP eintrat (oder freiwillig oder ob sie eintreten musste, um als Journalistin arbeiten zu dürfen?), gibt es wohl nicht allzuviel, was ihr vorgeworfen wird. Aber wenn das der Stadt Oldenburg reicht, um das Medienkunsthaus umbenennen, dann sollte sie dann auch die Schenkung zurückgeben.



    Ich bin gespannt, ob und wann alle, die in jungen Jahren in der SED waren (ob aktiv oder als Karteileichen), gesellschaftlich geächtet werden. Einige davon (auf die Schnelle gefunden, es können auch noch mehr sein, sortiert nach dem Alter) sitzen heute noch im Bundestag: Hr.Gysi, Hr. Bartsch und Frau Wagenknecht.



    Und bevor ich missverstanden werde: nach echten Nazis sollten keine Institute, Straßen, Gebäude etc... benannt werden. Wer aber nur pro-forma dabei war, um z.B in seinem Beruf arbeiten zu können, oder einfach nur, um den verdammten Krieg zu überleben, hat eine individuelle Be- und auf deren Ergebnis folgend eine eventuelle Verurteilung, aber keine automatische Gruppenverurteilung verdient. Das Gleiche gilt auch für ehemalige SED-Angehörige.