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Bewegungstermine in BerlinDer Widerstand wird globalisiert

Das Living Resistance Festival holt Kämpfe aus dem Globalen Süden nach Berlin. Etwa aus der Demokratischen Republik Kongo, wo ein Ökozid droht.

Auch bedroht vom globalen Kapitalismus: Gorillas im Kongobecken Foto: IMAGO / photothek

I m Kongo-Becken in Zentralafrika befindet sich der zweitgrößte zusammenhängende Regenwald der Erde – nach dem Amazonas. Das darin gelegene Torfmoor „Cuvette Centrale“ ist mit 145.500 Quadratkilometern einer der größten CO2-Speicher der Welt – und übt eine unschätzbare Funktion für die Stabilisierung des Weltklimas aus. Aus Totholz und absterbender Biomasse hat sich hier ein Kohlenstoffspeicher von etwa 30 Milliarden Tonnen aufgebaut – das ist so viel, wie die ganze Menschheit in drei Jahren in die Luft pumpt.

Doch die Regenwälder sind bedroht. Félix Tshisekedi, Präsident der Demokratischen Republik Kongo (DRK), hat riesige Flächen des Regenwalds, auch Torfmoorgebiete, für die Erschließung neuer Ölfelder zur Auktion ausgeschrieben. Eine ökologische Katastrophe: Würden die Moore für die Erschließung ausgetrocknet, könnten bis zu sechs Milliarden Tonnen CO2 freigesetzt werden, schreibt der Professor für Globalen Wandel, Simon Lewis, und Bart Crezee, PhD-Kandidat, in einem Artikel im Wissenschaftsportal The Conversation. Das sei so viel, wie ganz Großbritannien derzeit in 14 Jahren ausstößt.

Was das alles mit einer Bewegungskolumne für den Raum Berlin zu tun hat? Nun, die neokoloniale Einrichtung des globalen Kapitalismus sprengt eben die engen Kategorien journalistischer Zuständigkeit. Denn die Regierung des seit der Kolonialzeit massivst ausgebeuteten und bis heute extrem armen Landes hat immer wieder signalisiert, die Erschließung zu stoppen – wenn der Globale Norden, dessen Reichtum auf Kolonialismus und fossiler Zerstörung basiert, die dringend benötigten Einnahmen kompensiert. Ähnliches wird auf Klimakonferenzen seit Jahren versprochen – nur konsequent umgesetzt wird es nicht.

In der kommenden Woche holt Extinction Rebellion (XR) deshalb unter anderen den Kampf der kongolesischen Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen ins kapitalistische Zentrum. Dieser Kampf wird ein Schwerpunkt des Living Resistance Festivals sein, das in der kommenden Woche vom Mittwoch (11. 9.) bis Sonntag (15. 9.) im Treptower Park stattfindet. Mit 35 Vorträgen und Workshops, Filmvorführungen, Konzerten und Protestterminen soll sich dabei den Möglichkeiten angenähert werden, wie sich Mensch und Natur von Kolonialismus, Kapitalismus und Patriarchat wieder erholen können.

Zehntausende Unterschriften gegen Ökozid

Über 64.000 Menschen haben indes eine Petition zur Rettung des Kongobeckens unterzeichnet, die an die politisch Verantwortlichen in der DRK und in Deutschland und Europa gerichtet ist. Das Ziel: Eine korruptionsfreie Kompensation für die DRK, damit das Kongobecken erhalten bleiben kann. Am Donnerstag (12. 9.) soll die Petition um 17 Uhr vor dem Auswärtigen Amt (Werderscher Markt 1) auf einer Protestkundgebung übergeben werden. Ak­ti­vis­t:in­nen aus dem Kongo werden dabei ihre Perspektiven teilen.

Vertiefende Informationen zum Ökozid im Kongobecken gibt es auf einem Workshop am Samstag (14. 9.) um 10 Uhr im Zelt 2 auf dem Protestcamp im Treptower Park. Der Workshop findet auf Englisch statt und wird von der Congo Basin Alliance organisiert. Lokale Ak­ti­vis­t:in­nen werden dabei über ihre Erfahrungen im Widerstand berichten, anschließend soll gemeinsam diskutiert werden, wie es weitergehen kann.

Um die Barrieren, die zwischen Ak­ti­vis­t:in­nen aus dem Globalen Norden und dem Globalen Süden existieren können, dreht sich auch ein weiterer Workshop der Congo Basin Alliance, der ebenfalls am Samstag (14. 9.) um 16 Uhr im Zelt 2 stattfindet. Dabei wird der Frage nachgegangen, wie weiße Menschen aus dem Norden die Kämpfe der örtlichen Ak­ti­vis­t:in­nen unterstützen sollten. Auch dieser Workshop findet auf Englisch statt. Am Sonntag (15. 9., 16:30 Uhr) gibt es dann noch eine weitere lockere Zusammenkunft mit den Ak­ti­vis­t:in­nen der Congo Basin Alliance.

A100 wegbassen!

Dabei ist das Thema Kongo nur einer von vielen Programmpunkten, hier umfassend aufgelistet. Am Donnerstag geht es etwa um Aktivismus innerhalb multipler, systemischer Kollapsdynamiken (Do., 12. 9., 10 Uhr, Zelt 2). Am Freitag befasst sich Katharina Debus in einem Vortrag mit Sexismus im aktivistischen Miteinander – gemeinsamer Austausch ist Teil der Veranstaltung (Fr., 13. 9., 10 Uhr, Zelt 1). Am Samstag geht es um Dekolonisierung und Antirassismus, u. a. um den Zusammenhang zwischen Klima- und Bleiberechtskämpfen (Sa., 14. 9., 10 Uhr, Zelt 1).

Es wäre aber kein Protestcamp von Extinction Rebellion, wenn es nicht auch auf die Straße und in den konkreten Ungehorsam gehen würde. Am Freitag (13. 9.) ruft XR deshalb mit zur A100-Wegbassen-Demo gegen den wahnwitzigen Ausbau der Stadtautobahn auf. Die Tanzdemo startet um 17 Uhr am Markgrafendamm (Nahe Bahnhof Ostkreuz). Es gibt einen Fahrradzubringer (Start: 15 Uhr, Bundesverkehrsministerium), auch vom XR-Festival startet um 16:30 Uhr eine Zubringerdemo.

Am Sonntag ruft XR dann zu einer Aktion des zivilen Ungehorsams auf die Elsenbrücke – als Ort des Ausbaus der A100 zuletzt immer wieder Ziel von Massenaktionen der Klimaaktivist:innen. Unter dem Motto „Stoppt fossile Subventionen“ soll klargemacht werden, dass es Geld für Soziales statt für Kohle, Öl und Gas braucht. Denn vom Kongo bis in die BRD: Wenn die Klimakrise auch eine des globalen Kapitalismus ist, gibt es darauf eben nur eine Antwort, die die Menschen dem entgegnen können: Klassenkampf.

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1 Kommentar

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  • Ist ja schön, dass erklärt wird was weiße Europäer tun sollten, aber was sollen schwarze Europäer machen?

    Ansonsten denke ich eine finanzielle Kompensation für den Verzicht auf schädliche Industrien in armen Ländern ist die Lösung auf die zwangsläufig hinauslaufen muss.