Melania Trumps Memoiren: Pro-Melania, nicht pro-Choice
Republikaner sind gegen Abtreibung – und verlieren damit bei Frauen. Was dagegen hilft? Eine Ex-First Lady, die nun Abtreibungsrechte verteidigt.
G roße Aufregung! Melania Trump verkündet in ihren Memoiren, die einen Monat nach der US-Wahl erscheinen sollen, sie sei „pro-choice“, unterstütze also das Recht auf Abtreibung.
Medien in den USA und Deutschland produzierten daraufhin atemlose Schlagzeilen über den Werbespot der Frau des Ex-Präsidenten für ihr neues Buch (gedreht im Stil eines Calvin Klein Parfüm-Promo-Shoots): Im Halbdunkel haucht Melania Trump in Schwarz-Weiß ein paar Worte zum Thema körperliche Selbstbestimmung der Frau in die Kamera. In ihrem Buch schreibt sie: „Das Grundrecht einer Frau auf individuelle Freiheit, auf ihr eigenes Leben, gibt ihr die Befugnis, ihre Schwangerschaft abzubrechen, wenn sie es wünscht.“
Was steckt dahinter? Hängt der Haussegen im Hause Trump schief, wird sie jetzt zur Ikone der Pro-Choice Bewegung? Wohl kaum. Die Beweggründe für Melania Trump dürften anders aussehen: Dass ihr Werbespot ausgerechnet jetzt ausgestrahlt wird, knapp einen Monat vor der Präsidentschaftswahl, ist relevant – denn die Republikaner haben ein Frauenproblem.
Eine Mehrheit US-amerikanischer Frauen lehnt ihre Abtreibungspolitik ab. Sogar 35 Prozent Republikanischer Frauen in Bundesstaaten, wo Abtreibung verboten ist, sind für den landesweiten Schutz von Abtreibung. Und die beinahe täglichen, schrecklichen Schlagzeilen von Frauen, die auf Krankenhaus-Parkplätzen zu verbluten drohen oder wegen Abtreibungsverboten elendig sterben, tun ihr Übriges.
Immer wieder Roe v. Wad
Donald Trump ist verantwortlich für die rechtskonservative Mehrheit am Obersten Gerichtshof, die im Sommer 2022 das Grundsatzurteil im Fall Roe v. Wade von 1973 gekippt hatte – woraufhin in Republikanisch regierten Bundesstaaten drakonische Abtreibungsverbote in Kraft traten, die seitdem teilweise noch verschärft wurden.
Das Parteiprogramm der Republikaner beinhaltet die Etablierung von Föten als Rechtspersonen, was Abtreibung landesweit zu Mord erklären würde. Ihre Verbündeten vom „Project 2025“ unter Führung der Heritage Foundation wollen ein landesweites Abtreibungsverbot durch die Anwendung eines Gesetzes aus dem 19. Jahrhundert durchsetzen (praktisch – dafür braucht’s nämlich keine Mehrheit im Kongress, nur einen willigen Präsidenten und seinen Justizminister sowie einen Obersten Gerichtshof).
Melania Trumps „Überraschungs-Statement“ soll Trumps Image in Sachen Abtreibung „weicher“ wirken lassen, empathischer – auch wenn ihre Aussage keinerlei Auswirkung auf die Politik ihres Mannes hat. Sie ist nicht die einzige, die vor die Kameras geht, um so zu tun, als seien Trump und seine Partei keine Gefahr für Frauen und Schwangere – jetzt müssen weibliche Verwandte von republikanischen Politikern ran.
Der Republikanische Stratege Whit Ayres sagte der New York Times: „In den meisten Bezirken und Staaten sind mehr Frauen als Männer als Wähler registriert. Es macht Sinn, dass die Republikaner versuchen, Frauen anzusprechen, insbesondere angesichts der Relevanz des Themas Abtreibung“.
„Dreckiger“ Wahlkampf
Der frühere Gouverneur Larry Hogan, der jetzt in Maryland für den Senat kandidiert, schickt in einem Werbespot seine Stieftochter vor. Die verkündet, Hogan sei gar nicht „anti-Frau“ – „nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein“. Demokraten hatten ihn wegen seiner dokumentierten Gegnerschaft zu Abtreibung angegriffen – jetzt nennt er sich „pro-choice“, auch wenn er noch 2022 Veto gegen ein Gesetz eingelegt hat, das die Ausweitung von Abtreibungsversorgung in Maryland gesichert hätte.
Der Republikaner Eric Hovde kandidiert gegen die amtierende Demokratische Senatorin von Wisconsin Tammy Baldwin – und schickt in einem Werbespot seine Ehefrau Sharon Hovde vor, die klagt, Baldwins Wahlkampf sei „dreckig“.
Baldwins Team hatte einen Werbespot ausgestrahlt, in dem auf Hovdes Bemerkung von 2012 verwiesen wurde, als er im Senatswahlkampf verkündete: „Wir müssen die Regierungspolitik stoppen, die diejenigen belohnt, die außereheliche Kinder bekommen.“ Sharon Hovde versichert, dass ihr Ehemann Empathie für Frauen habe: „Eric sah die Schwierigkeiten, die ich hatte, um mir eine Kinderbetreuung leisten zu können“, sagte sie. „Das hat ihn dazu inspiriert, alleinerziehenden Müttern hier in Wisconsin zu helfen“.
Melania Trump dürfte es vor allem um eines gehen: Bücher zu verkaufen. Die US-Journalistin Jessica Valenti fasst es so zusammen: „In einem Moment undenkbaren Leids vertickt sie ein 40 Dollar teures Buch auf dem Rücken toter Frauen (250 Dollar, wenn man es signiert mit Extra-Bildern haben will)“. Klingt ganz nach der Frau, die auf dem Weg zu einem Lager von Flüchtlingskindern, die von ihren Eltern getrennt worden waren, eine Jacke mit der Aufschrift „I really don’t care, do u?“ trug.
Melania Trump ist nicht pro-choice, sie ist pro-Melania. Auf eine Interviewanfrage von CNN ließ ihr Buchverlag antworten, Mrs. Trump werde sich für 250.000 Dollar vom Sender interviewen lassen. Egal was ihre Beweggründe sind, ob Soft Launch einer Scheidung oder doch der Versuch, noch einmal First Lady zu werden – Melania Trump hat nur eines im Sinn: sich selbst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
Ein-Euro-Jobs als Druckmittel
Die Zwangsarbeit kehrt zurück
Demokratie unter Beschuss
Dialektik des Widerstandes
Aus dem Leben eines Flaschensammlers
„Sie nehmen mich wahr als Müll“