Sri Lanka zwei Jahre nach den Protesten: Chance auf politischen Neuanfang

Bei Sri Lankas Präsidentschaftswahlen gilt Anura Kumara Dissanayake aus dem linken Lager als Favorit unter den drei aussichstreisten Kandidaten.

Wahlkampfveranstaltung in Sri Lanka, viele Menschen schauen aufmerksam, jemand hält ein Plakat mit dem Bild des Präsidentschaftskandidaten in den Händen

Wahlkampfveranstaltung des linken Präsidentschaftskandidaten Anura Kumara Dissanayake in Colombo, Sri Lanka, 18. September Foto: Chamila Karunarathne/epa

Colombo taz | In Sri Lankas Hauptstadt Colombo erinnert nicht mehr viel an die massiven Bürgerproteste vor zwei Jahren. Damals besetzten Protestierende die Strandpromenade Galle Face Green sowie Regierungsgebäude, um ihre Wut über die politische Führung und deren wirtschaftliches Missmanagement auszudrücken.

Das Land steckte in einer tiefen Wirtschaftskrise: Die Inflation war hoch, Benzin, Düngemittel und andere wichtige Importgüter waren wegen des Mangels an Devisen knapp geworden. Der damalige Präsident Gotabaya Rajapaksa von der Sri Lanka Volksfront (SLPP) wurde im Juli 2022 zur Flucht und zum Rücktritt gezwungen. Seitdem wartet das Land auf einen politischen Neuanfang.

Eine Chance können nun die Präsidentschaftswahlen am Samstag 21. September sein. 17 Millionen Menschen sind wahlberechtigt, darunter etwa eine Million Erstwähler:innen. Prognosen sagen eine hohe Wahlbeteiligung voraus.

„Viele wollen, dass diesmal eine andere politische Partei als die SLPP gewinnt. Eine, die für eine gerechte und faire Gesellschaft steht“, sagt Chanika Jayakaduwa, die sich damals an den Protesten beteiligt hatte.

Entsetzen über den Luxus des Präsidentenclans

Sie war entsetzt über den Luxus, den Präsident Rajapaksa und seine Familie genossen hatten: „Die teure Kleidung, der Schmuck, den wir im Präsidentenpalast vorfanden, machte uns fassungslos, während die Armen sich nicht einmal drei Mahlzeiten am Tag leisten können“, sagte sie der taz.

Rajapakas buddhistisch-nationalistische Partei SLPP hat seitdem stark an Popularität verloren. Vom Rückzug des Rajapaksa-Clans profitiert Anura Kumara Dissanayake und seine linksgerichtete Koalition Nationale Volksmacht (NPP). „Dissanayake hatte in den letzten Monaten einen Vorsprung von 5 bis 15 Prozent gegenüber anderen Kandidaten“, sagt der Meinungsforscher Ravi Rannan-Eliya vom Institut für Gesundheitspolitik (IHP) in Colombo.

Dissanayakes Antikorruptionsbotschaften kommen insbesondere bei jungen Sri Lankern gut an. Auch hat er laut Rannan-Eliya einen deutlichen Vorsprung bei der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit, die 80 Prozent der Wählerschaft ausmacht.

Obwohl Dissanayake vermutlich nicht die von der Verfassung geforderte Mehrheit von 50 Prozent der Stimmen erreichen wird, gilt er als aussichtsreichster Kandidat. Kommt kein Bewerber über die 50-Prozent-Marke, werden die Zweit- und Drittpräferenzen der Wäh­le­r:in­nen berücksichtigt. Das könnte erstmals in Sri Lankas Geschichte passieren.

Neben dem marxistischen Dissanayake bewirbt sich auch Oppositionsführer Sajith Premadasa um das Präsidentenamt. Der 57-Jährige wird von den muslimischen und tamilischen Minderheiten unterstützt. Doch ohne breitere Zustimmung der singhalesischen Mehrheit dürfte es schwer für ihn werden, sich durchzusetzen. Bei den Wahlen 2019 hatte er 42 Prozent der Stimmen bekommen, während Gotabaya Rajapaksa 52 Prozent erhielt.

Doch auch Amtsinhaber Präsident Ranil Wickremesinghe könnte sowohl Stimmen von Minderheiten als auch von der singhalesischen Mehrheit erhalten. Wickremesinghe war 2022 vom Parlament gewählt worden, in dem die SLPP die Mehrheit stellt, und gilt als Teil des politischen Establishments.

Doch ist der 75-Jährige ein erfahrener Politiker. Unter seiner Führung könnte sich die Wirtschaft des hochverschuldeten Inselstaates erholen. 2023 gewährte der Internationale Währungsfonds (IWF) Sri Lanka Hilfen in Höhe von 2,9 Milliarden US-Dollar.

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