Japan-Diplomatie in Berlin-Moabit: Konkurrenz für die Friedensstatue

Die grüne Bürgermeisterin von Berlin-Mitte will eine Friedensstatue durch „neutrales“ Denkmal ersetzen. Japan fordert seit Jahren den Abbau der Statue.

Das Foto zeigt ein Mahnmal auf dem Unionsplatz im Stadtteil Moabit von Berlin für die sogenannten Trostfrauen, Mädchen und Frauen, die für die japanischen Kriegsbordelle des Zweiten Weltkriegs zwangsprostituiert wurden. Es soll zudem allgemein ein Symbol gegen sexuelle Gewalt gegen Mädchen und Frauen sein.

Die sogenannte Trostfrauenstatue in Moabit im Bezirk Mitte Foto: Miriam Klingl

Berlin taz | Die lebensgroße Skulptur „Pe­trified Survivors“ (Versteinerte Überlebende) der britischen Künstlerin Rebecca Hawkins zeigt eine versteinerte Frau mit einem Säugling auf dem Rücken, der von Würgefeigen umschlungen ist und auf einem Kompass steht, der die vier Himmelsrichtungen zeigt. So beschreibt Daniel Walther das Denkmal, das er mit dem auf seine Initiative hin im Juni gegründeten Verein SASVIC (Society Against Sexual Violence in Conflict e. V.) zeitweise nahe dem Kriegsmuseum im Wedding aufstellen will. „Die Frau und ihr Kind sind durch verflochtene Wurzeln und gemeinsames Leid miteinander verbunden und können ihr Leben nicht fortsetzen, bis die Täter zur Rechenschaft gezogen werden“, erklärt Walther der taz.

Der Jurist war jahrelang im Bundesvorstand der Jungen Union und Vorsitzender der Internationalen Young Democrat Union (IYDU), einem Bündnis von Jugendorganisationen konservativer und christdemokratischer Parteien. Er war für eine Rüstungsfirma tätig und arbeitet heute für die im Lobbyregister des Bundestages registrierte Firma Higgins. Zur Gründung von SASVIC inspiriert hat Walther nach eigenen Worten der Streit um die vor vier Jahren in Moabit aufgestellte Friedensstatue. Sie erinnert an das Schicksal von geschätzten 200.000 asiatischen Opfern von Zwangsprostitution im Zweiten Weltkrieg durch die japanische Armee und hat sexuelle Gewalt in kriegerischen Konflikten in Berlin auf die Tagesordnung gesetzt.

Der Verein mit bisher sieben Mitgliedern unter Wal­thers Vorsitz will nach seinen Worten „Kunst im öffentlichen Raum zum Thema sexualisierte Gewalt in Konflikten“ fördern. Und verfolge im Gegensatz zur Friedensstatue „einen allgemeinen und globalen Ansatz“, „frei von Abgrenzungsproblematiken und einseitigen Adressaten“. SASVIC stellte im Juli beim Bezirksamt Mitte einen Antrag zur Aufstellung der Statue. Über eine Empfehlung dazu konnten sich die Mitglieder im zuständigen Gremium „Kunst am Bau und im Stadtraum“ bisher nicht einigen.

Zweiter SASVIC-Vorsitzender ist Tilo Fuchs, einst Mitarbeiter grüner Bundestagsabgeordneter, im grünen Kreisverband des Bezirks Mitte als „Super-Realo“ und „Ultra-Realo“ bekannt und bestens vernetzt. Heute ist er Geschäftsführer der ebenfalls im Lobbyregister registrierten Firma Advanced Level Politics. Dritte im SASVIC-Vorstand ist Schatzmeisterin Ines Röleke, die auch für Higgins arbeitet.

Botschaft übt Druck aus

Japans Regierung fordert seit Jahren, die Friedensstatue zu entfernen. Ihre Botschaft und rechte japanische Kreise üben Druck auf Landes- und Bezirkspolitiker aus. Dabei soll auch mit dem Ende der Städtepartnerschaft mit Tokio gedroht worden sein, was die Botschaft bestreitet. Zwar entscheidet allein der Bezirk über die Statue, doch versprach der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) bei seinem Besuch in Tokio im Mai eine „Lösung“. Er sagte: „Es ist wichtig, dass wir zu Veränderungen kommen.“

Laut Walther vom Verein ­SASVIC hat „unsere Bewerbung mit der Frie­dens­statue nichts zu tun“. Doch SASVIC wollte die Skulptur „Petrified Survivors“ genau am bisherigen Standort der Friedensstatue aufstellen. Der Bezirk hat den Korea Verband, der die Friedensstatue am Unionsplatz (Ecke Birkenstraße/Bremer Straße) vor vier Jahren mit einer befristeten Erlaubnis aufgestellt hatte, zum Abbau bis zum 28. September aufgefordert.

Mittes Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne) sagt der taz zum Projekt von S­ASVIC, das sie begrüßt: „Ich habe davon abgeraten, das Kunstwerk auf dem Unionsplatz aufstellen zu wollen, nachdem die Genehmigung der Friedensstatue dort ausgelaufen sein wird, weil dann zu befürchten wäre, dass ‚Petrified Survivors‘ als Gegen­projekt zur Friedensstatue wahrgenommen werden könnte.“ Die Künstlerin Hawkins bezeichnet ihre Skulptur als von der Friedensstatue „ganz unabhängig“. Hawkins: „Petrified Survivors ist nicht einer bestimmten Gruppe von Überlebenden gewidmet, sondern allen Gruppen weltweit – Frauen, Kinder und Männer.“

Remlinger spricht sich wie auch Wegner grundsätzlich für ein Denkmal gegen Gewalt gegen Frauen aus. Der Bezirk Mitte hat sogar schon beschlossen, ein dauerhaftes allgemeines Denkmal zum Thema sexualisierte Gewalt ausschreiben zu wollen. Remlinger sagte, dass Hawkins samt ihrem Unterstützer Jack Straw, ehemaliger britischer Außenminister, mit den späteren SASVIC-Gründern „vor ca. einem Jahr“ bei ihr war, um „mit einem weiteren Kunstwerk zur Debatte beizutragen“.

Statue soll nicht bleiben dürfen

Hat SASVIC womöglich erst auf Aufforderung politischer Funktionsträger seine Aktivitäten für ein anderes Denkmal gestartet? Dazu Remlinger: „An dergleichen Spekulationen beteilige ich mich nicht.“ Walther sagt, man sei dazu „nicht aufgefordert“ worden. SASVIC arbeite ehrenamtlich. Die Kosten der Skulptur hofft er mit Spenden zu decken. Hawkins schrieb der taz: „Budgets und Zeitrahmen hängen von Art und Umfang der Genehmigung ab.“

Gegen ein zweites Mahnmal dürfte nur wenig sprechen. Aber warum soll dann ausgerechnet die Friedensstatue, die das Thema prominent in die Öffentlichkeit gebracht hat, unbedingt entfernt werden? Laut Remlinger sei ein Verbleib rechtlich nicht möglich: „Ohne Wettbewerbsverfahren ist eine Aufstellung lediglich zeitlich befristet im Rahmen der Erteilung einer entsprechenden Sondernutzungserlaubnis genehmigungsfähig.“

Abweichungen davon würden das „Prinzip der Gleichbehandlung“ verletzen. Remlinger: „Die rechtskonforme Lösung lautet: Aufstellung der Statue auf einer öffentlich zugänglichen privaten Fläche.“ Sie sei darüber mit „verschiedenen Grund­stücks­ei­nge­r*in­nen in guten Gesprächen“. Japans Regierung gab bisher ihre Widerstände gegen Trostfrauenstatuen stets auf, wenn sie auf privaten Grund verlegt wurden. Damit verschwanden dann auch wie von Tokio gewünscht die öffentlichen Debatten zu sexueller Kriegsgewalt.

Remlingers Position teilt die Mehrheit der grünen Fraktion ihres Bezirks nicht. Die sprach sich am Dienstag für den Verbleib der Friedensstatue aus und unterstützt zwei Anträge, die an diesem Donnerstag in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) auf der Tagesordnung stehen: einer von Anwohnern und einer der Linken, dem sich inzwischen auch SPD und Grüne angeschlossen haben.

„Lebendiger Erinnerungsort“

„Die Friedensstatue ist nicht nur ein Denkmal für vergangenes Leid, sondern erinnert an den Mut der Überlebenden“, heißt es im Anwohnerantrag, der auch von einer japanisch-stämmigen Berlinerin eingebracht wurde. „Sie ist ein universelles Symbol für heutige und zukünftige Generationen, das uns daran erinnert, mutig zu sein und wachsam zu bleiben gegen jede Form von sexualisierter Gewalt. Die Friedensstatue ist ein lebendiger Erinnerungs- und Lernort geworden.“

Der Antrag der Fraktionen von SPD und Linkspartei wiederum fordert eine „juristische Prüfung, wie die derzeitige Duldung verlängert werden kann, sowie eine Untersuchung, welche Möglichkeiten es gibt, die Friedensstatue zu erhalten“. Zur Begründung heißt es, die Statue sei „ein wichtiges Projekt der Berliner Zivilgesellschaft“ und „von großer Bedeutung für den öffentlichen Diskurs“. Die BVV hatte sich schon zweimal für die Beibehaltung der Friedensstatue ausgesprochen.

Die Sprecherin der dortigen Grünen-Fraktion, Shirin Kreße, teilt die von Remlinger und dem zuständigen Bezirksstadtrat Christopher Schriener (Grüne) geäußerte Rechtsauffassung nicht, dass die Friedensstatue nicht bleiben könne. „Es gibt genug Beispiele in unserem Bezirk, wo temporäre Sondernutzungen verstetigt wurden“, sagte sie der taz. Etwa die Skulptur Memoria Urbana am Bethlehemkirchplatz.

„Es ist eine Frage des politischen Willens“, so Kreße. „Wir wollen keine Opferkonkurrenz“, aber an SASVIC falle doch auf, dass der Verein offenbar nie auf Kontaktversuche des Korea Verbandes eingegangen ist, der die Friedensstatue initiierte und seitdem Bildungsarbeit zu sexueller Gewalt in bewaffneten Konflikten macht. „Für mich ist die Statue eine Initiative von unten. Sie gibt allen Opfern einen Raum. Sie ist Teil des Bezirks, sie gehört nach Mitte“, so Kreße.

Konkurrierende Anträge

SASVIC zählt zahlreiche internationale Prominente auf, mit denen man zusammenarbeiten wolle und erste Kontakte geknüpft habe, darunter die Friedensnobelpreisträger von 2018, die jesidische Aktivistin Nadia Murad und der kongolesische Gynäkologe Denis Mukwege. „Es ist ein dubioser Gegenantrag, der mit internationalen Kontakten auf die Beine gestellt wurde“, meint Ingrid Bertermann von der Fraktion der Linkspartei zu SASVIC. Die Art und Weise sei „nicht anständig“. Denn: „Die Friedensstatue schadet doch niemandem.“

Das Argument, dass Japaner ihre Investitionen vom Verschwinden der Statue abhängig machen, nennt Bertermann „albern“. Regierungschef Wegner hatte in Tokio der Unterzeichnung einer Absichtserklärung zwischen der Tegel Projekt GmbH und Mitsubishi electric beigewohnt. Es geht um „Smart-City-Anwendungen“ bei Digitalisierung und Energieversorgung. Die CDU-geführte Senatskanzlei war jetzt über Tage nicht in der Lage, eine Anfrage der taz zu SASVIC und der Friedensstatue bis zum Redaktionsschluss am Mittwoch zu beantworten.

Nataly Han Jung-Hwa vom Korea Verband, dem in Moabit ansässigen unabhängigen Verein, in dem BerlinerInnen mit koreanischen, deutschen und anderen Wurzeln zusammenarbeiten und der die Friedensstatue aufgestellt hat, ist vom Vorgehen der ja eigentlich als begrüßenswert angesehenen Beschäftigung des Vereins ­SASVIC mit dem Thema sexuelle Gewalt irritiert. Sie fürchtet, dass ein „universelles pathetisches Denkmal“ zu einem toten Ort wird, „mit dem sich niemand identifizieren würde“. „Die Friedensstatue steht für das Verbrechen wie auch die Überwindung des Leids durch die Betroffenen selbst“, meint Han. „Wir brauchen die Statue, um junge Menschen, Mädchen wie Jungs, zu ermutigen, dass sie sprechen lernen, dass sie wissen, dass ihr Körper ihnen gehört, dass sie das Recht haben, sich zu verteidigen, und man auch Erfolg haben kann.“

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