Starkregen in Europa: Brandenburg vor Wahl und Welle

An der Oder und an der Elbe rechnen sie mit Hochwasser und stellen sich auch auf den Katastrophenfall ein. Berlin ist vom Spreewald besser geschützt.

Der deutsch-polnische Grenzfluss Neiße im Stadtzentrum von Guben. An der rechten Bildseite ist eine Pegelmarkierung zu sehen, mit einer Plakette am oberen Rand, die das Hochwasser aus dem Jahr 2010 mit 4,57 Meter markiert.

Die Pegelstände steigen weiter: an der Elbe, der Oder und – wie hier in Guben – an der Neiße Foto: Patrick Pleul / dpa

BERLIN taz | In Brandenburg starren sie derzeit nicht nur auf Diagrammbalken zu Wahlumfragen, sondern auch auf Pegelstände. Wegen der extremen Niederschläge in Polen und Tschechien bereiten sich das Land und die Kommunen auch hier auf Hochwasser vor. Das Land hat für den gesamten Osten an Elbe, Neiße, Oder, aber auch Dahme, Spree und Berste bereits am Wochenende Hochwasserwarnungen herausgegeben.

Besonderes Augenmerk liegt derzeit auf der Oder: „Alarmstufe 3 werden wir hier sicher erreichen, möglicherweise auch Stufe 4“, sagte ein Sprecher des Landesamts für Umwelt (LfU) am Montag der taz. Für genauere Vorhersagen sei es noch zu früh, auch die Datenübermittlung aus den Hochwassergebieten in Polen liefe teils stockend. Er rechne damit, dass am Dienstag genauere Prognosen möglich seien. Alarmstufe 3 ruft das LfU aus, wenn das Wasser bis zur halben Deichhöhe geht und absehbar weiter steigt. Dann wird ein ständiger Wachdienst auf den Deichen eingerichtet. Alarmstufe 4 ist die „Katastrophenabwehr“, bei der damit zu rechnen ist, dass das Wasser größere Flächen und Straßen überflutet.

In Frankfurt (Oder) war der Pegelstand am Montag laut LfU-Daten rund 60 cm höher als noch am Freitag, Tendenz weiter steigend. Die Stadt sei vorbereitet, sie seien mit den Landesbehörden in Kontakt und hätten für Dienstag einen Krisenstab einberufen, sagte ein Sprecher der taz. „Die großen Wassermassen erwarten wir erst ab Mittwoch“, sagte er. Beim LfU rechnen sie damit, dass die Hochwasserwelle aus Polen am Mittwoch die Oder-Neiße-Mündung bei Ratzdorf passiert, von wo aus es noch ein bis zwei „Fließtage“ bis Frankfurt (Oder) seien.

„Im Moment sieht es nicht nach besonders hohen Wasserständen aus. Konkret wird es auch davon abhängen, wie die Hochwasserwellen der Neiße und anderer Zuflüsse zeitlich aufeinandertreffen“, sagt Sergiy Vorogushyn, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Hydrologie beim Deutschen Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ).

Sandsäcke liegen bereit

Auch die Elbe sei vom Hochwasser betroffen, allerdings rechnet Brandenburg derzeit damit, dass es hier mit einer langgestreckteren Welle und einem abgeschwächten Scheitel durchfließen wird. Es könnte sich auf einen längeren Fluss-Abschnitt verteilen und daher weniger heftig ausfallen. „Die Saale, die 2002 auch Hochwasser geführt hatte, ist jetzt nicht betroffen, auch das entschärft die Situation“, sagte der LfU-Sprecher.

Laut Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) sind 2,6 Millionen Sandsäcke verfügbar. Technisches Hilfswerk, Feuerwehr und Bundeswehr seien darauf vorbereitet, bei Bedarf zu unterstützen. „Wir müssen sehr wachsam sein“, sagte Landesumweltminister Axel Vogel (Grüne) am Wochenende. Klar sei aber auch, dass durch die vom Menschen verursachte Erderwärmung solche Extremwettereignisse künftig häufiger auftreten werden – mit den entsprechenden Folgen.

„Die Forschung zeigt, dass Extremwetterereignisse wie das aktuelle wahrscheinlicher werden, auch wenn wir den Faktor erst im Nachgang genauer berechnen können“, sagt GFZ-Mitarbeiter Vorogushyn. Schon jetzt ließe sich sagen, dass die sommerliche Hitzewelle im Mittelmeerraum und die extremen Temperaturen, die mit ursächlich für die aktuelle Wetterlage sind, ohne die Klimaveränderung quasi unmöglich gewesen wären. „Das ist tatsächlich ein Präzedenzfall“, betont Vorogushyn.

Spree wird in Berlin nicht überlaufen

Berlin dürfte übrigens bis auf Weiteres zumindest von einem Flusshochwasser verschont bleiben: „Eine Ausuferung der Spree ist hier nicht das Problem“, sagt der Wissenschaftler. Wenn es Niederschläge im Oberlauf der Spree gegeben habe, seien diese nie nennenswert in der Stadt angekommen – „weil beispielsweise der Spreewald wie ein Schwamm wirkt und das Hochwasser abpuffert“.

Bedeutende menschengemachte Puffer kommen hinzu, etwa die Überleitungen in die ehemaligen Tagebaue bei Cottbus, die geflutet und in Seen verwandelt werden, oder der Spree-Dahme-Umflutkanal. Auch Müggelspree und Müggelsee können große Wassermassen aufnehmen.

Abgesehen von den Überschwemmungen im Jahr 1945, für die zahlreiche gesprengte Brücken und ein folgende Eisstau verantwortlich waren, trat die Stadtspree zuletzt 1905 aufgrund eines Hochwassers über ihre Ufer. Für die Hauptstadt sind laut Vorogushyn dagegen Starkniederschläge wie etwa im Sommer 2017 die größere Gefahr. Wenn heftige Wolkenbrüche in einzelnen Stadtteilen die Kanalsysteme überfordern, kann es zur Überschwemmung von Unterführungen, Autobahnabschnitten oder Kellern kommen.

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