Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus: Staat spart sich Förderzusage

Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Niedersachsen hilft, wenn sich Rechtsextreme vor Ort breit machen. Doch die Finanzierung für 2025 wackelt.

Rechtsradikale am Rande einer Kundgebung der Querdenker in Düsseldorf im Dezember 2020.

Rechte Bedrohung ist real: Rechtsradikale am Rande einer Kundgebung der Querdenker in Düsseldorf im Dezember 2020 Foto: Markus Matzel/imago

Hamburg taz | Die Mobile Beratung Niedersachsen gegen Rechtsextremismus (MBT) steht möglicherweise vor dem Aus. Die Mit­ar­bei­te­r*in­nen erwarten die Kündigung bis Ende des Monats. Denn weder der Bund noch das Land Niedersachsen haben dem Trägerverein „Weser Aller Bündnis: Engagiert für Zivilcourage und Demokratie“ (Wabe) bisher die Finanzierung der Arbeit im kommenden Jahr verbindlich zugesagt.

Die MBT informiert über die Ideologie der Ungleichwertigkeit von Menschen und gibt Beistand bei der Auseinandersetzung mit der extremen Rechten. „Statt nach den Wahlerfolgen der AfD die Beratungen zu stärken, werden sie geschwächt“, sagt Gunda Schmidtke, Ehrenvorsitzende von Wabe. „Ich bin wirklich erzürnt und aufgebracht.“

Am 22. August hatte der Trägerverein in einem Offenen Brief an die Landesregierung auf die Situation hingewiesen. 75 Ko­ope­ra­ti­ons­part­ne­r*in­nen unterschrieben eine Unterstützungserklärung. Die Reaktion der rot-grünen Landesregierung auf den Brief? Gab es nicht, zumindest „keine offizielle“, wie Schmidtke sagt. Weder habe ein Telefonat stattgefunden noch sei ein Gesprächstermin vereinbart worden.

Der Verein mit Sitz in Verden ist nun genötigt, zum Ende des Jahres die 16 Mit­ar­bei­te­r*in­nen zu entlassen. Elf von ihnen sind landesweit in der Beratung tätig. Der Verein plant, die Regionalbüros in Oldenburg und Hildesheim aufzulösen und auch die Räumlichkeiten in Verden abzugeben. Miet- und Leasingverträge müssen gekündigt werden: Ohne staatliche Mittel kann der Verein die Arbeit nicht finanzieren. Sie befürchte hochprofessionelle und kompetente Mit­ar­bei­te­r*in­nen zu verlieren, so Schmidtke zur taz. Diese hätten an ihren Einsatzorten „Kontakte und Vertrauen nach und nach aufgebaut“.

Gunda Schmidtke, Wabe e.V.

„Statt nach den Wahlerfolgen der AfD die Beratungsstellen gegen die Extrene Rechte zu stärken, wird durch die Unklarheit der weiteren finanzielle Unterstützung die Tätigkeit geschwächt“

Die MBT unterstützt Personen und Projekte bei deren Engagement gegen Rassismus oder Antisemitismus, und sie hilft dabei, sinnvoll auf unterschiedlichste Formen von Rechtsextremismus zu reagieren. Hängt der Nachbar beispielsweise eine Reichskriegsflagge im Garten auf, entwickeln die MBT-Teams auf Anfrage orts- und situationsbezogene Strategien gegen eine drohende Dominanz rechtsextremer Gruppierungen.

Die Nachfrage ist groß: In diesem Jahr gebe es schon jetzt so viele Anfragen und Betreuungen wie im ganzen vergangenen Jahr, sagt Kristin Harney, Projektleiterin der MBT. Die Situation habe sich verschärft. Zugleich bemerkt sie eine gewachsene Sensibilisierung.

Auch die Nachrichten über das Treffen von Neonazis, AfD-Funktionären und rechten CDU-Angehörigen am 10. Januar in Potsdam dürfte dazu beigetragen haben. Die Enthüllungen des Recherche-Kollektivs Correctiv über dieses Geheimtreffen hatten Anfang des Jahres eine Welle von Demonstrationen gegen rechts und für Vielfalt ausgelöst.

In der Förderperiode des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ von 2020 bis 2024 hat der Verein Wabe die MBT-Strukturen aufgebaut. Die Arbeit wird größtenteils vom Bundesfamilienministerium finanziert. Der Verein ist Partner des Demokratiezentrums beim Landespräventionsrat Niedersachsen. Im Jahr 2024 wurde ein Beitrag zur Finanzierung erstmals über die sogenannte „politische Liste“ im Landeshaushalt bereitgestellt.

In ihrem Koalitionsvertrag haben SPD und Grüne versprochen, eine „dauerhafte Finanzierung zivilgesellschaftlicher Initiativen gegen Rechtsextremismus“ sicherzustellen. In Hannover scheinen die Entscheidungsträger jedoch auf Berlin zu warten – auf das Ergebnis der dortigen Haushaltsberatungen.

So versichert auf Nachfrage der taz Michael Lühmann, innenpolitischer Sprecher der Landtags-Grünen, die Arbeit der MBT sei „von unschätzbarem Wert“ gerade angesichts der Angriffe von Rechtsaußen auf die Demokratie. Doch sei der Bund in der Pflicht, das „Demokratie leben“-Folgeprogramm auszustatten, um eine lückenlose Finanzierung auch im Jahr 2025 zu gewährleisten. Man gehe davon aus, dass die Gelder auch im kommenden Jahr bewilligt würden und dies auch „sehr zeitnah kommuniziert“ werde.

Auf Landesebene sei man bereit, seinen Teil beizutragen und mit einem niedersächsischen Demokratiefördergesetz die Unterstützung zu verstetigen. Allen Absichtsbekundungen zum Trotz: Sollten die Mittel zu spät bereitgestellt werden, könnten die bisherigen Projekte bereits aufgelöst sein. Dann müssten erst wieder neue Strukturen aufgebaut werden, befürchtet der Trägerverein. Das wäre im Sinne nur der AfD-Landtagsfraktion: Der ist die Förderung der MBT schon lange ein Dorn im Auge.

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