Szenario eines AfD-Ministerpräsidenten: Könnte, hätte, Höcke

Könnte Björn Höcke nach der Wahl in Thüringen Ministerpräsident werden? Und was müssten die anderen Parteien tun, um das zu verhindern?

Björn Höcke am 15. August vor dem MDR-Funkhaus in Erfurt Foto: Sascha Fromm/imago

Bei der Wahl in Thüringen wird am Sonntag die AfD laut allen Umfragen klar zur stärksten Partei. Den Rechtsextremen werden 30 Prozent der Stimmen prognostiziert. Dass ihr Spitzenkandidat Björn Höcke Ministerpräsident wird, ist unwahrscheinlich. Ausgeschlossen ist es aber nicht. Denn in vielen Schritten müssen sich CDU, BSW und Linkspartei oder SPD auf ein Vorgehen einigen – und das durchhalten.

Der neue Landtag muss zunächst ei­ne:n Par­la­ments­prä­si­den­t:in wählen. Das Vorschlagsrecht dafür steht laut Geschäftsordnung der stärksten Fraktion zu – also der AfD. Erst wenn deren Kan­di­da­t:in durchfällt, kann es eine Ge­gen­kan­di­da­t:in geben. Bei einer Stichwahl gewinnt derjenige mit den meisten Stimmen.

Die Wahl der Land­tags­prä­si­den­t:in wird so zum Testfall. Steht die Brandmauer gegen rechts im Thüringer Parlament? BSW-Spitzenkandidatin Katja Wolf hat angekündigt, „vernünftigen“ Anträgen der AfD zustimmen zu wollen. Wie „vernünftig“ ist ein Personalvorschlag der AfD aus Sicht des BSW?

Selbst wenn das BSW stabil bleibt, müsste es sich mit der CDU auf einen Ge­genvorschlag einigen und die Person in geheimer Wahl gewählt werden. Gäbe es bei einer Stichwahl zahlreiche Enthaltungen, könnte die AfD-Kandidat:in die meisten Stimmen bekommen – und wäre gewählt ohne absolute Mehrheit.

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Die Rolle des Landtagspräsidenten

Die Land­tags­prä­si­den­t:in ist wichtig für die Wahl der Ministerpräsident:in. Die findet üblicherweise statt, wenn sich eine regierungswillige Koalition gefunden hat. Das wird schwierig, da AfD und BSW laut Umfragen mehr als die Hälfte der Sitze bekommen. Alle anderen Parteien haben eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen. Die CDU will nicht mit der Linken koalieren.

So bleibt als einzige rechnerische Option eine Dreierkoalition aus CDU, BSW und SPD, der nur eine Mehrheit von ein bis zwei Sitzen vorhergesagt wird. Kommt dieser wackelige Dreier, ist Höcke aus dem Rennen. Aber was, wenn das Trio schon am Sonntag die Mehrheit im Landtag verfehlt? Oder wenn sich die drei monatelang nicht einigen?

Alle Fraktion können die Abstimmung über eine Mi­nis­ter­prä­si­dent­schafts­kan­di­da­t:in beantragen. Auch die AfD. Den Termin bestimmt die Land­tags­prä­si­den­t:in. Wird die von der AfD gestellt, geht das schnell. Zwar kann eine Mehrheit im Landtag diese Abstimmung vertagen. Das aber hieße, dass Bodo Ramelow geschäftsführend Ministerpräsident bliebe. CDU und BSW müssten indirekt dafür stimmen, den Linken im Amt zu belassen, weil sie sich (noch) nicht auf eine Koalition einigen konnten. Das klingt erneut nach einer wackeligen Kiste.

Wenn sich Höcke zur Wahl stellen darf, sind die anderen unter Zugzwang. In den ersten beiden Wahlgängen ist eine absolute Mehrheit nötig. Die wird er kaum bekommen. Doch für einen dritten Wahlgang müssten sich BSW und CDU auf eine Kan­di­da­t:in einigen, auch ohne Koalition. Denn dann gewinnt, wer die meisten Stimmen hat. Würde das BSW für Mario Voigt (CDU) votieren? Oder umgekehrt die CDU für Katja Wolf (BSW)? Und wer könnte ohne Koalition auf Unterstützung von SPD oder Linken vertrauen, damit er/sie wegen Enthaltung oder Gegenstimmen aus eigenen Reihen nicht durchfällt?

Wahrscheinlich ist es nicht, dass Höcke ins Amt gewählt wird. Aber vor der Wahl 2019 hätte auch jeder ausgeschlossen, dass sich ein FDPler von der AfD zum Regierungschef wählen lassen würde. Dennoch ist es so gekommen.

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