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: Keine Kontaktschuld

Bei den diesjährigen US-Open im Tennis hängt Taylor Swift mit der Trump-Unterstützerin Brittany Mahomes ab. Swifties weltweit sind schockiert, wo sich ihr Idol bisher noch gar nicht in der US-Präsidentschaftswahl positioniert hat. Auch wenn sie für Harris ist: Man darf mit politisch Andersdenkenden befreundet sein

Taylor turtelt mit Trumpistin Brittany Mahomes. Hinten mit Hut: Swifts Freund Travis Kelce Foto: Kirsty Wigglesworth/ap

Von Jan Feddersen

Haben wir als Öffentlichkeit eine Performance der hysterischen Sorte zur Kenntnis zu nehmen? Oder geht es einfach um einen Akt von Teilhabe an Debatten rund um die wichtigste demokratische Wahl, der US-amerikanischen, mit der Präsidentschaft als Kronjuwel der Abstimmung, also dem Entscheid zwischen Kamala Harris und Donald Trump? Die Diskursschlacht, um die es aktuell geht, ist eine um Ms America schlechthin, Taylor Swift, nicht allein in den USA das weibliche Idol überhaupt, das alles richtig macht, moralische und ethische Standards und qua Lebensweise die Dos and Don’ts eines anständigen Lebens absteckt.

Der Anlass: Bilder, gemacht bei den US-Open im Tennis, New York, auf denen Swift zu sehen ist, wie sie Brittany Mahomes kumpelinnenhaft umschlingt, zeitgenössisch typische Geste für freundschaftliche Verbundenheit. Und das war einigen aus der Swiftie-Bubble zu viel: Hatte Mahomes nicht neulich Fellowership zu Donald Trump signalisiert, ausweislich eines Likes in den sozialen Medien? Und hatte nicht Trump selbst geäußert: „Ich möchte der schönen Brittany Mahomes dafür danken, dass sie mich und die Tatsache, dass MAGA (Make America Great Again, Chiffre der Trump-Kampagne schon 2016, die Red.) die größte und mächtigste politische Bewegung in der Geschichte unseres jetzt scheiternden Landes ist, so vehement verteidigt hat.“

Das war gewiss für Mahomes der Todeskuss, um in den weitgehend demokratisch gesinnten Jugendbewegungen je wieder ein Bein auf den Boden zu bekommen, gewichtiger in diesem Diskurs ist jedoch, dass die Swifties der Künstlerin nicht nur vorwerfen, noch kein Votum zur Präsidentschaftswahl abgegeben zu haben, ja, mehr noch, einer offenkundigen, wie sie es sehen, Trump-Fellowerin nicht sofort die Freundschaft aufgekündigt zu haben.

Für Menschen, auch taz-Lesende, die diese Diskussion für so unwichtig halten wie überhaupt jede Popkultur jenseits des eigenen geschmacklichen Empfindens, sei notiert: Wesentliche Teile der künstlerischen Systeme der USA, Hollywood zuerst und zuletzt, votieren seit jeher für die von den Demokraten ins Rennen geschickten Kandidierenden. Wer einem republikanischen Kandidaten (oder gar Präsidenten) die Aufwartung macht, muss schon sehr gut sein, um im Starsystem oben zu bleiben, Clint Eastwood etwa. Die Demokraten (und also Kamala Harris) zählen fast automatisch auf den Support Hollywoods und der Spendenbereitschaft der Clooneys, Streisands, Redfords und Pitts. Aber der Goldstandard ist aktuell Taylor Swift, die vor vier Jahren vehement für Joe Biden warb – doch vor allem gegen Donald Trump sich verwahrte. Sie äußerte damals über ihre Plattformen: „Nachdem Sie während Ihrer gesamten Präsidentschaft das Feuer der weißen Vorherrschaft und des Rassismus geschürt haben, haben Sie die Frechheit, moralische Überlegenheit vorzutäuschen, bevor Sie mit Gewalt drohen?“

Ein solches Statement pro Kamala Harris ist noch nicht veröffentlicht worden. Und wird weiter erhofft. Einstweilen bleibt die Aufregung über den Gunstbeweis Brittany Mahomes gegenüber (deren Lebensgefährten beide prominente American-Football-Größen sind): Darf man mit einer Person befreundet sein, die politisch nicht auf der gleichen Welle schwimmt? Ist es moralisch, Menschen aus dem anderen Lager nicht nur okay zu finden, aber das nicht diskret, sondern mit Umarmung zu nobilitieren? Schließlich: Ruiniert es das eigene Leben, Freundschaft für höher zu halten als gemeinsames politisches Einverständnis?

Andererseits: Nach allem, was man wissen kann, hat ja Ms Mahomes nicht Wladimir Putin oder dem iranischen Religionsführer Sympathien zuerkannt, sondern einem Kandidaten einer Partei, den man nicht schätzen muss, aber doch ein politisches Angebot in einem demokratischen System wenigstens attestieren muss. Trump kann man, aus verstehbaren Gründen, in jeder Hinsicht ablehnen, doch seine WählerInnen mögen ihn, weil er, beispielsweise, politische Antworten parat hat, die sich nicht mit denen der Kamala-Harris-Leute decken – etwa in puncto Wokeness, Migrations- und Steuerpolitik. Seine Wählerschaft, so oder so, sind keine Wiedergänger von Nazimobs, auch wenn unter ihnen einige sich selbst so sehen.

Ist es moralisch, Menschen aus dem anderen Lager nicht nur okay zu finden, aber das nicht diskret, sondern mit Umarmung zu nobilitieren?

Taylor Swift hat also – mal wieder – einen Diskurs angezettelt, auch und besonders dem linksliberalen und linken Spektrum gewidmet, der ziemlich gut in die Zeit passt: Gibt es so etwas wie Kontaktschuld, ruiniert man sich moralisch umfassend, wenn man mit Menschen anderer Meinungen gut klarkommt? Und dies auch weiter möchte?

Nur Taylor Swift kann hierzu ausdrücklich etwas sagen – nur sie kann es mit der öffentlichen Gesamtwucht ihrer Community aufnehmen. Sie würde fast unsterblich, tät sie einfach nur sagen: Brittany ist super und für den Rest: F*ck off!