piwik no script img

Oasis sind wieder daMit herablassendem Blick

Ihre Texte, ihre Frisuren, ihr Gehabe: Mittelalte Männer erklären, warum Oasis immer schon scheiße waren. Echt jetzt?

Wandgemälde der Oasis-Bandmitglieder Liam und Noel Gallagher vom Künstler Pic.One.Art in Manchester Foto: Phil Noble/reuters

I ch hätte das auch nicht gebraucht. Ich hatte mich damit abgefunden, dass ich Oasis und R.E.M., zwei der größten und wichtigsten Bands meiner Adoleszenz, nie live gesehen haben würde. Ich war mir absolut sicher, dass die beiden Bands wirklich nie wieder zusammenfinden und Konzerte spielen würden. Und das war okay.

Dann kamen der Countdown, die Gerüchte und die Ankündigung, dass die zerstrittenen Gallagher-Brüder im kommenden Jahr wieder gemeinsame Konzerte spielen werden, der katastrophale Online-Vorverkauf – und mit ihnen das überraschende journalistische Subgenre „Warum Oasis immer schon scheiße waren“.

Während britische Kommentatoren wie Simon Price im Guardian den Gallaghers wenigstens konservative bis homophobe Gesinnungen nachwiesen (um dann mit dem Vorwurf zu enden, ihre Songs hätten nie gerockt), erklärten mittelalte deutsche Journalisten (nur Zeit Online hat eine Frau auf das Thema angesetzt) eilfertig ihrem mittelalten Publikum, warum die Band schon zu ihrer Blütezeit (oder spätestens nach diesen zwei, drei Jahren) unwichtig und egal gewesen sei. Und deren Fans eh ganz schlimm.

Das klingt – um im leicht prolligen Duktus prototypisch imaginierter Oasis-Anhänger zu sprechen – verdächtig, als hätte ihnen ihre „Alte“ verboten, das Familienurlaubsbudget für eine einzelne Stehplatzkarte im Wembley Stadium auszugeben, und sie müssten jetzt wie ein patziger Teenager begründen (vor allem vor sich selbst), warum sie „sowieso keine Lust“ gehabt hätten hinzugehen.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Also wird alles gegen die Band verwendet, was sie damals ausgemacht hat: ihre Texte, ihre Frisuren, ihr Gehabe. Und überhaupt: Oasis hätten ja eh nur bei den Beatles abgeschrieben. No shit, Sherlock! Vielleicht muss man das für die Nachgeborenen noch mal erklären (als ob die Feuilleton-Artikel über Oasis lesen würden, hahaha), aber: Das war damals schon allen Beteiligten – inklusive Noel und Liam Gallagher – klar. Es war, wie Liam sagen würde, the fooking point.

In diesen Besinnungsaufsätzen, auf die deutlich weniger Leute gewartet hatten als auf eine Oasis-Reunion, findet so viel Projektion statt, dass ich hier einfach damit weitermache: So kann man doch eigentlich nur schreiben, wenn man sich entweder für seine eigene Jugend schämt oder damals schon ein elitärer Schnösel war, der nur Sonic Youth, Blumfeld und Nick Cave hörte und seitdem keinerlei Persönlichkeitsentwicklung durchgemacht hat.

Dabei ist das Einzige, was noch mehr 90er ist als Oasis, doch der herablassende Blick auf andere, die einen „schlechteren“ Geschmack haben (vgl. Hornby u. a.), und das Feindbild Sellout, das damals auf jede Band angewendet wurde, die einen Vertrag bei einem Major-Label unterschrieb oder plötzlich in die Charts einzog. Ich hatte gehofft, dass wir so peinliche Distinktionsgedanken lange hinter uns gelassen hätten, aber jetzt feiern sie ein Comeback, das wirklich keiner braucht.

Beim deutschen Rolling Stone, dem Zentralorgan für Rock-Nostalgie, das mindestens einmal im Jahr Bruce Springsteen auf dem Cover hat, mutmaßt ein Autor, ob die Band überhaupt genug gute Songs hätte, die einen solchen Aufwand rechtfertigten.

In der taz warf der Kollege den Gallaghers gar die „musikalische Vorwegnahme des Brexits“ vor, weil ihr Habitus die Selbstfixierung Großbritanniens forciert habe. Bevor man Oasis den Brexit in die Schuhe schiebt, könnte man David Hasselhoff erst mal in einem Indizienprozess nachweisen, dass er wirklich den Mauerfall herbeigeführt hat.

In der Welt der Politik nehmen alle Rücksicht auf „gefühlte Wahrheiten“, aber auf dem einen Feld, wo Emotionen im Vordergrund stehen sollten, der Popmusik, werden plötzlich ganze Historikerkommissionen aus dem Schrank geholt und auf das Schaffen der Band angesetzt. Schlechte Nachrichten gibt es genug, da ist eine Mischung aus Nostalgie und Vorfreude nicht zwingend das, was man geißeln muss. Dass Menschen, Männer gar, ausnahmsweise mal positive Emotionen in den sozialen Medien teilen, könnte man ja auch einfach wohlwollend zur Kenntnis nehmen.

Wie wär’s, wenn alle mal durchatmen, wir mit Gin Tonic anstoßen und uns nach dem ersten Akkord eines Oasis-Songs in den Armen liegen? Sein Titel: „Don’t Look Back In Anger.“ Lukas Heinser

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Oasis hin, Brit Pop her, die (im besten Sinne) britischste Band sind und bleiben für Opa immer noch die Kinks...

  • Ja, überall diese Durchblicker 😉

  • Klar. David Hasselhoff hat die Wende herbeigesungen und Oasis den Brexit. So richtig scheiße warn die natürlich nie, zumindest nicht musikalisch. Aber trotzdem völlig überbewertet, aufgeblasen und peinlich abgehoben. Und damit sehr verwandt mit nem Großteil der Musikkritiker.

  • Ich las zunächst: Ossis.

    Es stört mich bei der Band der Marketingzinnober. Wäre die Musik, wären die Texte mein Geschmack, sähe ich darüber hinweg.



    Aber alle nach ihrer Façon!

    • @Janix:

      Das finde ich jetzt witzig, ich habe auch Ossis gelesen.

      Ansonsten eher Blur als Oasis.

  • Bei dem Titel musste ich an en Zitat aus "The committments" denken: "He was the first who had a record from Frankie goes to Hollywood, and he was the first who knew they were shite"...

    • @Gerald Müller:

      Klasse Film.

      Mir kommt die Szene in den Sinn, in der der Manager die Sängerinnen ermahnt "ride sally ride" und nicht "roight sally roight" zu singen.

  • Jetzt habe ich Lust auf mehr Texte von Lukas Heinser in der taz. Ohne Oasis lässt es sich aber sicherlich auch 2025 ganz gut aushalten.

  • Vielen Dank für den Kommentar! Mir geht dieser arrogante Kultursnobismus auch so dermaßen auf den Keks. Mag die Gallagher Brüder auch nicht, spätestens seit sie den Sänger von INXS, nachdem er ihnen einen Preis überreicht hatte, auf der Bühne gedemütigt haben. Bin auch kein Fan ihrer Musik, nie gewesen. Aber dieses verkrampfte, ich muss alles was Mainstream ist, runtermachen, ist einfach nur intolerant, öde und humorlos. Würde mir da mehr Gelassenheit wünschen, wenn Musik Menschen gefällt und sie glücklich macht, warum nicht einfach mal gönnen und Klappe halten?

  • Spricht mir aus der Seele. Zudem: Seit ein paar Tagen lässt sich obiges Wort „Oasis“ per Cut-und-Paste problemfrei gegen „Linkin Park“ ersetzen. Die waren laut übereinstimmendem Urteil vieler ähnlich motivierter Feuilletonisten und Kulturjournalisten (wiederum bewusst nicht gegendert) selbstverständlich auch schon immer shice. Und betreiben na klar fortan sell-out.

    Einfach mal anzuerkennen, dass beide Bands offensichtlich das Lebensgefühl eines nicht geringen Teils ihrer jeweiligen Generation getroffen haben, kann so schwer nicht sein. Niemand muss sie mögen. Einfach nur anerkennen.

    Übrigens: Wie verklebt mein Gehirn anscheinend schon ist, zeigt die Tatsache, dass ich permanent kurz davor bin, „LinkedIn Park“ statt „Linkin Park“ zu schreiben.

  • Klar, die große Kohle winkt. Die Eintrittspreise sind utopisch.



    Es ist nicht das Management oder sonstige Leute, die die hohen Preise festlegen. Es ist die Band selbst, die natürlich dann ihre Organisation beauftragen.



    Ich zahle das nicht.



    Patty Smith ist hingegen hierzulande mal für 60 € aufgetreten.

    • @Horst Schlichter:

      und sie ist eine wirklich Große!

      (Übrigens Patti)